... Klang-Abwechslungen, die sogar im Duo gelingen können, indem Reto Suhner aus Herisau (Schweiz) einen elegischen Sax-Kontrapunkt zu den repetitiven Saiten-Tremoli seines Klavierpartners Fabian Müller "Am Grund" verankert. Ja, sie haben bei ihren freien Improvisationen ein gemeinsames Fundament, nämlich sich einig zu sein, dass nur durch intensive Dialoge eine attraktive Dramturgie möglich ist. Reto Suhner und Fabian Müller hören sich zu, ahnen, wohin der Weg führen könnte, und treffen so auf eine Blueshymne oder gar einen Popsong. Erstaunlich was offene Ohren und musikalischer Respekt bewirken können. Sax mal sechs, wie die Stimmen so die Persönlichkeiten: individuell in jeder Region und Konstellation.
Neue Musikzeitung, 7 2020, Hans-Dieter Grünefeld
Wird Jazzmusik improvisiert, werden gerne mit rauer Urgewalt die Instrumente malträtiert und die Protagonisten ergehen sich in weitschweifigen Soli. Die Kraft, die dem Hörer dabei oft entgegenschlägt, überlagert dann gerne den musikalischen Gehalt der Darbietung. Die Schweizer Musiker Reto Suhner und Fabian M.Mueller gehen da einen anderen Weg. Bei ihnen stehen die leisen Töne im Vordergrund, die tief berühren können und in der Lage sind, die Sinne des Hörers nachhaltig zu beeindrucken. Nach dem hochgelobten Debut "Schattenspiel" aus dem Jahr 2014 ist mit "Am Grund" nun eine weitere Facette ihrer Kunst zu hören. Die jeweils in anderen Formationen agierenden Musiker begegnen sich wieder auf Augenhöhe und giessen ihre Kreativität spontan in neue Formen der Improvisationsmusik. Reto Suhner spielt dabei verschiedene Saxofon-Varianten, während Fabian M.Mueller das Piano bedient. Von den sieben Stücken wurden sechs live vor Publikum, das jedoch nicht zu hören ist, eingespielt. Nur das finale Stück "Klima" ist im Studio entstanden, wobei die teilweise übergangslose Abmischung der Live-Einspielung ebenfalls Studio-Atmosphäre aufkommen lässt. Das beginnende Titelstück ist sogleich Ausweis der zuvor beschriebenen Fähigkeiten, während das folgende "Metabolism" mit mehr Dynamik ausgestattet ist. Allen Stücken gemeinsam ist die sehr gute Aufnahmetechnik, die die Instrumente, insbesondere das Saxofon, lebensecht abbildet und jede Schallwelle fast sichtbar durch den Hörraum wabern lässt. Beispielgebend ist besonders "Clouds + Clusters", auf dem die Altklarinette beeindruckende akustische Genüsse produziert. Auf dem Studiostück "Klima" tritt dann noch das Klavier in den Fokus und beendet damit eine faszinierende Aufnahme, die sich klar an den Musikgourmet richtet. Fazit: Mit grosser Ruhe und viel Tiefgang vorgetragene Improvisation für Geniesser.
LP Magazin Okt/Nov 2019
Saxofonist und Altklarinettist Reto Suhner und Pianist Fabian M.Mueller liessen ihre freien Improvisationen an verschiedenen Orten in der Schweiz und Österreich überwiegend live mitschneiden, wobei Mueller neben Simon Fankhauser auch als Aufnahme-Ingenieur fungierte. Die von Christoph King Utzinger gemasterten sieben Tracks klingen greifbar präsent, alle Anblas-Geräusche der diversen Saxofone, jedes Anreissen der Klaviersaiten im Korpus, aber auch jeder Tastenanschlag und die Publikumsgeräusche geben dem Hörer ein "Dabeisein-Gefühl". Musikalisch ist das eher herbe Kost, ansatzweise Beschauliches wird- bis auf das schöne "Kries"- meist atonal zerkleinert. Dennoch ein audiophiles Juwel.
Audio, 10/2019
"Es funktioniert ähnlich wie in einem Gespräch": Auf ihrer neuen CD spielen die zwei Ausserrhoder Jazzmusiker frei und ohne Noten.
Der Pianist Fabian M.Mueller und der Saxofonist Reto Suhner stammen aus Heiden und Herisau und sind nur auf den ersten Blick ein ungleiches Paar.
Auf den ersten Blick sind sie ein ungleiches Paar. Fabian M.Mueller überragt seinen Mitmusiker an Körpergrösse bei weitem. Altersmässig liegen sie fast zehn Jahre auseinander. Und sie reden verschieden: Mueller spricht bedächtig, legt sich erst seine Worte zurecht. Aus Reto Suhner hingegen sprudelt es heraus, die Sätze bilden sich erst beim Formulieren, mit den Händen hilft er kräftig nach. Doch der Eindruck täuscht. Neben ihrer Ostschweizer Herkunft haben die zwei Jazzmusiker vieles gemeinsam. Sonst hätten sie sich vor fünf Jahren nicht zum Duo zusammen getan und ein Album ("Schattenspiel") aufgenommen. Jetzt ist der Nachfolger erschienen: "Am Grund" vereint sieben Ausschnitte aus drei Konzerten. Das Besondere: Nichts davon war geplant, abgesprochen oder auf Notenblättern notiert. Wenn Mueller und Suhner spielen, improvisieren sie. "Es ist die komplette Freiheit", sagt Mueller.
Den Rhythmus selber sie sich geben
Als Jazzmusiker sind sich die beiden das Improvisieren gewohnt. Es gehört schliesslich zum Jazz, dass Musiker zu vorgegebenen Akkorden neue Melodien spielen und so eigene Akzente setzen. Jedes Solo tönt anders, kein Song klingt zweimal gleich: Das, unter anderem, ist Jazz. In ihrem Duo gehen Mueller und Suhner noch ein paar Schritte weiter. Es gibt keine Akkordfolgen oder Melodien mehr, an denen sie sich orientieren. Sie verzichten auf Schlagzeug- und Bassbegleitung, sondern geben sich den Rhythmus selber. Keiner weiss vorher, was der andere spielen wird, und doch finden sie zusammen. "Es funktioniert ähnlich wie in einem Gespräch", erklärt Suhner. "Es ist ein ständiges Senden und Empfangen. Wenn zum Beispiel Fabian gerade sehr aktiv ist, nehme ich mich zurück. Oder setze ihm etwas entgegen." Mueller ergänzt: "Wenn man so frei spielt, muss man die Kategorien Richtig und Falsch hinter sich lassen." Welche Tonart ist es gerade? Solche Fragen würden unwichtig, sagt Mueller und beschreibt einen Extremfall: "Manchmal fangen wir gleichzeitig an zu spielen, Reto einen Ton, in einen Ton. Das kann fast nur schief herauskommen, aber es ist aich ein Befreiungsschlag. Dieser erste Ton ist unser Schicksal." So frei zu spielen, braucht Mut. "Es kann zwischendurch-Längen geben", sagt Suhner. "Und es kann passieren dass uns nichts mehr einfällt". So wie in einem Gespäch eben.
Das Klavier klingt wie ein Hackbrett
In den Liedern auf "Am Grund" finden sich keine Längen, dafür viele Einfälle. Mueller und Suhner haben eine faszinierende Auswahl ihrer Live-Darbietungen zusammengestellt. Das Album beginnt mit einem Klavierton, angeschlagen fast wie auf ein Hackbrett, dann steigt das Saxofon ein, und schon nach zwei Minuten verbinden sich die zwei Instrumente zu einem Motiv, das so auch einstudiert sein könnte. Es ist offensichtlich, dass hier zwei zusammenspielen, die zusammenpassen. Sie glänzen dabei mit ihrem musikalischen Erfahrungsschatz. Zitate aus der Volksmusikund der Klassik klingen an, auf allzu sperrige Klangexperimente wird verzichtet. Suhner entlockt seinen Saxofonen und Klarinetten verschiedenste Schattierungen, Mueller erweitert den Klang des Pianos mit mechanischen Präparationen. "Das gegenseitige Vertrauen ist in den letzten Jahren gewachsen", sagt Mueller. Die beiden treffen sich regelmässig zumProben, um Neues auszuprobieren. Auf der Bühne aber beginnen sie wieder von vorne, mit dem ersten Ton.
Roger Berhalter, St.Galler Tagblatt 11.9.2019
Schattenjazz hat jemand zum Debut von Reto Suhner & Fabian M.Mueller gesagt. Sicher weil die 2014er CD "Schattenspiel" hiess, aber auch für das Folgealbum "Am Grund" (Anuk) trifft das schöne Wort zu. Sax und Piano erzeugen einen eigenen Flow, Dialoge sind hier wirklich welche, denn Erkundungen und Rückgriff, Ergänzung und Gegensatz halt sich die Waage bei dieser schönen, ruhigen Platte.
Westzeit 09/2019
Bei "Am Grund" handeltes sich um eine 2017 mitgeschnittene freie Improvisation von Saxofonist, Flötist und Klarinettist Reto Suhner sowie Pianist Fabian M.Mueller (FMTrio), der bis auf zwei Stücke auch den Aufnahmeprozess beaufsichtigte. Der in allen Konstellationen von Duos wie diesem bis zu orchestral aufspielenden Big Bands versierte Schweizer, und dessen Namen das Projekt firmiert, gilt seit je als Spezialist für unmittelbare musikalische Interaktion, die weit über die Grenzen des konservativen Jazz hinausreicht, und bestätigt diese Einschätzung auch mit den neuesten Aufnahmen seines seit 2019 bestehenden Tete-a-Tete mit seinem Landsmann. "Am Grund" ist nach "Schattenspiel" (2014) die zweite Veröffentlichung der beiden und kompilliert Eindrücke von drei verschiedenen Konzerten. Da kein Schlagzeuger und Bassist mitspielen, wirkt die Musik umso offener und übersteigt zudem nicht selten das Mass dessen, was Otto-Nomal-Hörer gemeinhin damit verbindet- wiederkehrende Motive, griffige Harmonien und nachvollziehbare, weil vorgegebene wiederkehrende Strukturen. Ein ausserordentlicher Ideenreichtum und spielerische Disziplin seitens der Protagonisten verhindern jedoch, dass "Am Grund" einer ausgefransten Klangkulisse gleich, denn inmitten des vordergründig wirr erscheinenden Geflechts aus Klavier und Holzblasinstrumenten lassen sich mit nur ein wenig guten Willen harmonische wie rhythmische Themen entdecken. Ausgesprochen emotional wird die Aufnahme allerdings zu keiner Zeit, doch um Rührung dürfte es Suhner und Mueller sowieso nicht gehen. "Am Grund" ist vielmehr ein expressives Klangexperiment mit durchaus fassbaren Melodiebögen, eine pfiffige Versöhnung von musikalischem Wagemut und dem Ur-Element jedes traditionellen Lieds: nachvollziehbare Tonfolgen, deren stete Modulation ein spannendes Hörerlebnis gewährleistet. Fazit: Reto Suhner und Fabian M.Mueller reüssieren mit "Am Grund" vor allem deshalb, weil sie das Eingefangene mehr oder weniger völlig unbearbeitet für sich sprechen lassen. Ihr intuitives Verständnis miteinander genügt, um dem Stegreif-Material einen Zusammenhang zu geben, ohne die Spontaneität, die dem Prmromptu-Gedanken zugrunde liegt, zu kompromittieren... womit wir wieder beim Kern schlechthin des Jazz als innerer Haltung (anstelle eine blossen Genres) wären...
Andreas Schiffmann, Musikreviews 2019
Jaazz ist Improvisation, und selbst wenn Kompositionen noch so ausgefeilt sein mögen, machen erst gutes Interplay und inspiriertes Improvisieren ein richtiges Jazzalbum aus. Der Saxophonist Reto Suhner und der Pianist Fabian M.Mueller zelebrieren die hoh Kunst der Improvisation. Ihr neues Album "Am Grund", der Nachfolger von "Schattenspiel", verzichtet auf Kompositionen und wurde komplett live aufgenommen.
"Einen guten Duopartner- und das ist Reto- zeichnet aus, dass man einfach losspielen kann ohne viel nachzudenken", schwärmt Fabian M.Mueller von Reto Suhner. Ohne Kompositionen geht das Tandem auf die Bühne, manchmal erteilt sich das Duo Regeln oder bezieht das Publikum mit ein, das mitbestimmen kann und so verstehen lernt, was auf der Bühne passiert. "Wir erklären den Leuten, dass wir frei spielen und bitten sie um Vorgaben, zum Beispiel, dass wir mit zwei Tönen improvisieren. Es geht um simple musikalische Vorgaben. Wir wechseln uns ab, wer führt und wer folgt." Das fulminante Duo besteht seit 2010, die erste CD "Schattenspeil" kam im Jahr 2014 heraus. Mueller sieht nicht nur durch die Live-Aufnahme einen grossen Unterschied zum Erstling, auch habe die Musik mittlerweile einen deutlicheren roten Faden. "Wir haben inzwischen viele Duo-Konzerte gespielt. Wir haben uns besser kennengelernt und seit den ersten Aufnahmen für "Am Grund" sind mittlerweile schon wieder zwei Jahre vergangen. Wir sind auf jeden Fall mutiger geworden." Bei einer Studioaufnahme habe man immer im Hinterkopf, dass "es" in der gemieteten Studiozeit passieren muss, Mitgeschnittene Konzerte nehmen etwas von dem Druck weg."Live darf es Momente geben, die nicht klappen, entweder kommen sie nicht auf die CD oder gerade deshalb, weil sie lustig sind. Aus den Aufnahmen haben wir einen Mix gesucht mit Klangimprovisationen, in denen geräuschhafte Sachen passieren. Wir wollten eine harmonische und rhythmisch abwechslungsreiche Balance haben." Nicht ausschlaggebend, aber doch wichtig waren die Lägen der Stücke. "Ein Track ist ein Ausschnitt aus einer längeren Improvisation. Zwei Stücke haben wir miteinander verbunden, die nicht aus demselben Konzert stammen. Die Überblendungen merkt man nur, wenn man ganz genau zuhört. "Zu lang" wäre kein Argument gewesen. Wir haben uns bewusst vorgenommen, auch kurze Stücke zu spielen. Das kann im Konzert sehr erfrischend sein." Reto Suhner und Fabian M.Mueller erklären ihrem Publikum, was sie machen und was es bedeutet, frei zu improvisieren. Die Zuschauer dürfen Wünsche äussern. "Dann entstehen freie Improvisationen aus einer andern Perspektive heraus. Meine Ohren und mein Kopf funktionieren anders, als wenn wir einfach drauflosspielen. Ein Motiv mit zwei Tönen? Wir kann ich zwei Töne auf meinem Instrument verbinden? Spiele ich staccato oder legato? Spiele ich hoch oder tief? Ganz leise? Ganz laut? Der Funke springt meist auch aufs Publikum über, weil es versteht, was passiert. Das macht die frei improvisierten Sachen verständlicher." Neue Aufnahmen sind vorerst nicht geplant. "Am Grund" wurde in einer überschaubaren Auflage gepresst und ist auch als Vinyl erhältlich. "Zum ersten Mal haben wir auch eine LP im Angebot, die mit dem Cover im Grossformat wunderschön aussieht."
Angela Ballhorn, Jazz'n'More, July/August 2019
Die hohe Kunst des Duo-spiels beherrschen diese beiden Schweizer Musiker auf frappierend beeindruckende Art und Weise. Der Zürcher Saxofonist Reto Suhner und der Berner Pianist Fabian M. Mueller ergänzen sich blind und greifen verblüffend schnell Ideen und Vorgaben des jeweils Anderen auf, um sie fortzuführen oder damit davonzulaufen (nutzt nix, sie holen sich immer wieder ein). In "Cascade" bewegen sie sich spiralförmig und rasend schnell- was tatsächlich an den berühmten "Hummerlflug" erinnert-, an anderen Stellen nehmen sie introspektive Momente, um sich anzunähern und sensibel und einfühlsam aufeinander zu reagieren. Im dreiminütigen Kabinettstückchen "Crux" nutzt Mueller avantgardistische Spielweisen wie das Greifen in das Flügelinnere und das Spielen gedämpfter Töne, um seinem Partner eine rhythmisch akzentuierte und gleichzeitig folkloristisch verspielte Grundlage anzubieten, auf der Suhner sein Saxofon von verschattet bis hell schimmernd glänzen lassen kann. Höhepunkt des Albums ist das zehnminütige "Blaze a Trail", das in enzyklopädischer Weise viele Möglichkeiten des Duo-Spiels aufleuchten lässt- eine Konversation, die man nur führen kann, wenn einem ein reichhaltiges Vokabular zur Verfügung steht. Und dabei klingt das alles nie auftrumpfend, sondern geradezu intim- was den Hörer umso mehr zum neugierigen Mitwisser macht.
Rolf Thomas, Jazzthek 1/15
Ein Duo, ganz ungeschützt, Saxofon und Klavier, frei improvisiert und den unberechenbaren Improvisationsströmen des Moments ausgesetzt. Es ist eine der härteren Herausforderungen, der sich der Altsaxofonist Reto Suhner und Fabian M.Müller am Klavier stellen, zwei Schweizer Musiker, an deren Spiel sich der Segen der Musikausbildung und -förderung ablesen lässt. Mit meisterlicher Sicherheit und der Ökonomie selbstbewusster Könnerschaft bewegen sich die beiden durch den klanglichen Raum, umkreisen einander, gehen aufeinander zu, reagieren aufeinander, entwockeln Übereinstimmung und Dissens, Harmonie und Spannung; also alles, was es zu einer ordentlichen Kommunikation so braucht. Eine Lehrstunde in der Kunst der Improvisation.
sth, Jazzthing 11/2014
Stunning display of virtuosity by saxophonist Suhner and pianist Mueller, who offer up improvisations that sound as if they were meticulously planned out. Melodic sequences that hint at serenity, then suddenly ignite. Rhythmic shadowplay that hints at blues, hints at a rag, hints at random patterns of coincidence, and always maintains a motion and a flow that keeps the listener close. Absolutely sublime and Highly Recommended.
Dave Sumner, wonderingsound.com, 11/2014
"...Ein sublimes Wunderalbum haben der Saxofonist Reto Suhner und der Pianist Fabian Müller dieses Jahr eingespielt. «Schattenspiel» heisst es und klingt auch genau so: Schattenjazz von beklemmender Schönheit. Das Duo wird die Attraktion des Samstagabends sein, flankiert vom Soloauftritt des Gitarristen Roman Nowka."
Ane Hebeisen, Der Bund, 13.11.2014