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Der Schweizer Jazz-Musiker Reto Suhner arbeitet mit seinem Quartett bereits seit 2000 zusammen. 2016 war es, dass mich sein Album "Easy" als lebendiger Bestandteil der Schweizer Jazzszene stark begeistern konnte, Die gleichen Musiker finden wir auf der Doppel-CD "20". Erneut wird durch die vier Musiker eine sehr dichte und harmonische Atmosphäre erzeugt, aufgefallen war mir die traumwandlerische Einheit, wobei mir damals auch besonders der weiche und warme Klang im Spiel des Saxofonisten gefiel. Dich die Musik dieser Platte ist noch kreativer, und man nimmt sich Zeit, das auf den20 Songs auszukosten. Die Zahl ist nicht durch die Anzahl der Titel gekennzeichnet, denn, siehe oben- man feiert das 20-jährige Bestehen der Formation, und auch das wird ausgiebig zelebriert, und als Teilnehmer der Party kann nur frohlocken ob der hochwertigen Kost, die dieses Büfett bietet. Entstanden ist Musik, die sich auf einer grossen Palette der mannigfaltigen Farben bedient und 20 kleine Bilder malt, die allesamt kleine Meisterwerke darstellen, mitunter auch durchaus abenteuerlich. "Simple", zum Auftakt der ersten CD. klingt wie gepflegter Jazz in einer Bar, eines Nachts, wenn noch wenige Gäste da sind und den Abend ausklinge lassen in ruhiger und lasziver Stimmung, ein wenig gedankenverloren über verpasste Gelegenheiten, über den Sinn des Lebens, und dazu spielt die Band locker swingenden Jazz, zunächst als Piano-Trio, bis sich nach gut vier Minuten dann doch noch der Saxofonist auf die Bühne begibt, um mit Bass-Saxofon und Contra-Altklarinette die nächtliche Stimmung zu erweitern. Mit "Jolán's Kräutergarten" geht es dann ganz cool weiter, ein wenig Cool Jazz mit einer Stimmung, die mich an die Musik von Lee Konitz erinnert. Track 3: verträumt dahinschleichende Stimmung, mit wortlosem Gesang, ein wenig Latin-Touch in der Richtung von Purim/Moreira versprüht das, es könnte sich noch Wayne Shorter dazu gesellen. Und beim vierten Song ist es dann scho wieder anders. Hier wird der Jazz um Fusion-Elemente ergänzt. So zieht sich diese sehr bunte Abwechslung durch die ganze Platte, und wir sind noch bei der ersten CD des Doppelalbums "20", mit 20 Titeln. Dem Line-Ip ist es zu entnehmen, wie die Vielseitigkeit durch die Fülle der verwendeten Instrumente unterstützt wid, so erleben wir auf "Polypoly" ein Theremin (wer diesen Sound noch nicht kennt- hitträchtig aufgetaucht als jaulendes Geräusch einst bei den Beach Boys und "Good Vibrations", war es dort jedoch das sehr ähnlich klingende Tannerin). Diese Vielseitigkeit hat einen enormen Output an Kreativität zur Folge, und das ist immens unterhaltend und vielschichtig. Dieses wird nach Einlegen der CD 2 dann auch sogleich fett unterstrichen, Suhner setzt hier neben seinem Sopransaxofon noch das Mridangam, eine zweifellige Doppelkonustrommel, und die Shruti Box, ein mit einem Blasebalg versehenem Instrument, dem Harmonium ähnlich, ein. Auch mit einem Modularsynthesizer wird gearbeitet, um dem Jazz ungewöhnliche Klangfarben beizumischen und weitere exotische Instrumente finden verschiedentlich ihren Weg, weitere Synthesizer, oder ein Bansuri oder ein Duduk. So macht es wirklich Freude, den Jazz mit traditioneller Basis und einer zusätzlichen Frischzellenkur durch Einbeziehung "fremder" Elemnte neu zu erleben, So bleibt diese Musik auch lebendig und lässt auf ihren Fortbestand hoffen.

Scott Walker, 25.12.2020

Der Schweizer Reto Suhner ist seit 20 Jahren mit seinem Quartett in der eingespielten Besetzung mit Saxophon, Piano, Kontrabass und Schlagzeug in der Szene unterwegs. Grund genug für den vielseitigen und aussergewöhnlichen Saxophonisten, der von Wayne Shorter stark beeinflusst wurde, dieses Jubiläum mit einer gelungenen Doppel-CD zu feiern. Die 20 Tracks entstanden während einer Jam-Session an drei Juli-Tagen im Jahre 2019 und servieren einen spannenden, lyrischen und abenteuerlichen Saxophon Piano-Jazz, den man gehört haben sollte. Anspieltipp ist "Jolán's Kräutergarten".

InMusic, Rainer Guérich Dezember 2020

Das 20.Jahr im neuen Millennium ist ein triftiger Grund für das Reto Suhner Quartet aus der Schweiz, durch ebensoviele Songs einige Lebensaspekte zu kommentieren. Sinnlich "Simple" beginnt ihr Doppelalbum mit einem Blues im Barstil, den Philip Henzi am Grand Piano und Dominic Egli mit Besen-Snare vorstellen und der dann ironisch von Kontrabassist Silvan Jeger und Reto Suhner am Bass-Saxophon paraphrasiert wird. Mystischer "Hilal" (Halbmond), olfaktorische "Duftsiegel" oder intensive "Lakritz"-Geschmackswahrnehmungen stecken das hedonistische Spektrum alltärlicher Bedürfnisse in variablen Besetzungen ab. Die ganze Palette der Klangregister nutzt Suhner auch bei den eher abstrakten Kompositionen wie "Diplomjäger", der aus einer Bass-Drohne mit scharfem Sopran-Sax-Riff hervor drängt.  Ein orientalisches Motiv zeigt sich mit Reed-Trumpet und Flügelhorn sowie Modularsynthesizer "Datengeil" und verändert sich in freien Interaktionen zu Elekrto-Soundskulpturen. Die erste Doppel-Dekade des Jahrhunderts ist beim Reto Suhner Quartet durch verblüffend vielseitige Jazz-Impressionen und instrumentale Kombinationen reflektiert und zugleich eine manchmal satirische Kulturkritik. 

Hifi & Records, Hans-Dieter Grünefeld 4/2020

Der Schweizer Saxofonist Reto Suhner ist in vielen Formationen tätig, wovon sein gleichnamiges Quartett die bisher langlebigste ist, wenn auch mit geänderten Mitspielern. Vor 20 Jahren hat er die Gruppe gegründet, in der er aktuell Philip Henzi an den Tasteninstrumenten und Flügelhorn, Silvan Jeger am Bass und Dominic Egli am Schlagzeug hat. Aus diesem Anlass hat er sein Album "20" genannt, ebensoviele Songs komponiert und eingespielt. Der Vinyl-Freund bekommt allerdings nur eine Auswahl von acht Stücken, jedoch auch einen Download-Code für das gesamte Werk. Die gewählte Form der Instrumentierung des Quartetts erlaubt es einerseits, dem Standard zu frönen und gewohnte Wege zu gehen, die schon viele andere gegangen sind, andererseits sind jederzeit Ausbrüche möglich, um das Unerwartete zu tun. Seine Einflüsse bezieht er auch aus der Bewunderung zu andern Musikern bzw. aus der Zusammenarbeit mit diesen. Wayne Shorter ist solch ein Einfluss, der Tradition mit Mystik zu verbinden weiss. Auch die gemeinsame Arbeit mit dem Multiinstrumentalisten Scott Robinson hat auf Reto Suhner Einfluss genommen. Auf "20" kommt eine Vielzahl von Saxofonen zum Einsatz, ausserdem indische Flöten und eine Kontrabassklarinette. Mit diesen Zutaten erzeugt Reto Suhner eine originäre Jazz-Form, die immer wieder überrascht, obwohl sie in ihrer Grundstimmung eher ruhig daherkommt. Das Reto Suhner Quartet ruht in sich selbst, baut Spannungsbögen auf, um dann an geeigneter Steller den Ausbruch zu wagen. Dabei bleiben die Musiker stets erdverbunden und sprechen mit ihrer Musiksprache breite Hörerschaften an. "20" ist eine dem Anlass mehr als angemessene Veröffentlichung, in der sich viel Neues entdecken lässt. Fazit: 41 (Viyl) bzw. 105 Minuten (Digital) musikalische Genre-Entstaubung.

LP Oktober/November 2020 und Hifi Test , Genre:besonderer Jazz  

Der Schweizer Saxofonist und Klarinetist Reto Suhner ist ein rastloser Einspieler. Für das audiophile Anuk Label legte er unlängst mit dem Pianisten Fabian M.Mueller das spannende Experimentalwerk "Am Grund" (Audio 10/19) vor. Im Jahr 2020 folgt nun mit seinem Quartett das Album "20". Mit Philip Henzi (key), Silvan Jeger (b) und Dominic Egli (dr) spielt er in Titel wie "Bilanzverlängerung", "Ersatzkomposition" oder "Zwei Diplomjäger" einen unverkrampften, modernen Jazz, der zwar nicht konventionell, aber auch nit nervtötend avantgardistisch tönt. Der von Andy Neresheimer aufgenommene und von André Pousaz gemasterte Sound ist erste Sahne. 

Audio, 09-2020, Klangtipp Audio

"20", wohin man schaut. 2020 besteht das Quartett 20 Jahre, zu diesem Anlass ein Doppelalbum mit 20 Titeln. Der Schweizer Reto Suhner macht sich einen Spass daraus, das Quartettformat immer anders klingen zu lassen. Keine Nummer gleicht der anderen. Suhner wechselt Saxofone und Klarinetten von Stück zu Stück, auch mittendrin, nimmt gelegentlich Exotisches hinzu. Los geht's ganz einfach ("Simple"), doch der Eindruck täuscht. Titel wie "Duftsiegel" oder "Datengeil" verraten schon das Augenzwinkern, mit dem Suhner vordergründig Lichtes mit kleinen Überraschungen versieht. So bleibt es spannend. 

Stereo, September 2020 klm 

Auf dem Infoblatt des Quartetts steht dick "Machet die Tore weit"; das passt 100%. Wie eine mächtige Woge an Sounds überkommen einen die 20 Songs des Doppelalbums. Unglaubliche 20 Jahre hält sich der Saxophonist Reto Suhner (geb. 1974) in der permanent prosperierenden Schweizer Jazz-Szene und überrascht, wie auch auf "20", dem Geburtstagstonträger, mit unkonventionellem Jazz, der oft ungestüm, manchmal lyrisch, aber auf jeden Fall beflügelnd ist. Einige Kompositionen stammen von Philip Henzi, der neben dem Piano einen Wurlitzer spielt und mit elektronischen Dekorationen auf seinem Moog für Aufregung sorgt. Es knarzt oft im Jazz-Gebälk, und man hört den Wind pfeifen, Wölfe heulen oder mysteriöse Türen knarren. Abenteuerlich ist das alles, man transferiert Jazztradition in ein Heute oder Morgen. Um technische Perfektion kümmert man sich nicht explizit, man verwendet seine Energien für flammende Improvisationen und aufmunitionierte Klangmalereien. Dass die Tonkunst und Beats so zünden, hängt auch damit zusammen, dass vor allem Suhner Instrumente fremder Kulturen verwendet (Indien, Armenien, China...). Er greift neben den üblichen Saxophonen zum C-Tenorsaxophon, der Alt-Klarinette, dem Bass-Saxophon, der Shruti Box, der Bansuri oder dem Theremin. Silvan Jeger (b) und Dominic Egli (dr) halten natürlich exzellent mit und weichen kaum von der rhythmischen Erfordernissen ab. Tolles Album!

Concerto 8, 2020 ewei 

Eine Wundertüte des Jazz mit 102 Minuten

Das Reto Suhner Quartett liefert mit "20" ein Album erster Klasse ab. *****

Schreibt man den Nachnamen des genialen, umtriebigen Namensgebers des Reto Suhner Quartets, kann sich die Autokorrektur nicht entscheiden zwischen Sühne und Sahne… Was wirklich lustig ist, da man beides mühelos mit diesem reichhaltigen Doppel-Album in Verbindung bringen kann: „Sühne“ findet Verwendung als „Wiedergutmachung“, wird aber auch als „Entstörungs- und Korrekturhandlung“ definiert, an dessen Ende „die Versöhnung“ oder „der Friedensschluss“ steht. Nimmt man für „20“ (ANUKLabel ✮✮✮✮✮) nur die Wörter „Entstörung“ und „Versöhnung“, haben wir exakt das, was dieses großartige Werk für ein klassisches, teils aber auch angestaubtes Genre leistet. Und „Sahne“ erhöht man hier wirklich gerne zu „allererste Sahne“. Denn: „20“ ist eine 102-minütige Jazz-Wundertüte! Suhner ist Basisdemokratie sehr wichtig, soll heißen: seinen drei Mitstreitern an Klavier, Bass und Schlagwerk gönnt er jedes instrumentelle Spontan-Manöver, jede kreative Form von Subversion. Nutznießer ist der Hörer, denn es bohrt und zwickt, schlingert und pluckert, vibriert und pulsiert wonniglich. Wunderbar organisch und dramaturgisch raffiniert agiert dieses Dream Team. Trotzdem gebühren am Ende Suhner für sein Spiel an Klarinette und Saxophon größte Lorbeeren. Spielfreudig ist gar kein Ausdruck!

Saarbrücker Zeitung, Andreas Lüschen-Heimer

Mit seinem Jazz-Quartett legt der Schweizer Klangsucher Reto Suhner eine für seine Verhältnisse fast schon konventionelle Platte vor- im gewohnten Top-Klang. Der Saxofonist und Bassklarinettist Suhner sucht ständig neue Klänge und Konstellationen- und spielt sie rastlos ein. Für das audiophile Label Anuk nahm er unlängst mit dem Pianisten Fabian M.Mueller das spannende Experimental-Album "Am Grund" live auf. 2020 folgt nun mit seinem seit 20 Jahren bestehenden Quartett das Album "20"- bestimmt kein Wohlfühl-Jazz, aber auch kein nervtötendes Avantgarde-Gedudel. Mit Philip Henzi, Silvan Jeger und Dominic Egli spielt der mit einem knorrigen Humor gesegnete Musiker Stücke wie "Zwei Diplomjäger", "Ersatzkomposition" oder "Bilanzverlängerung" einen unverkrampften modernen Jazz, musikalisch und instrumental auf höchstem Niveau. Wie viele seiner Landleute hat Suhner aber auch ein Ohr für exzellenten Klang, den er für "20" im Hardstudio in Winterhur bekam. Der von Andy Neresheimer aufgenommene und von André Pousaz gemischte Sound ist erstklassig. So machen die ungewohnten, nölig-quäkigen Klänge der Bassklarinette richtig Spass, das Saxofon kommt mit knackiger Dynamik, die Band bleibt jederzeit transparent. Solch eine audiophile LP hätte auch eine gefütterte antistatische Innenhülle verdient. So setzt man die gute und nebengeräuscharme Pressung unnötig der Gefahr aus zu verkratzen. 

Mint 08/20, Lothar Brandt

Fenster zur Freiheit

Seit 20 Jahren schon betreibt Saxophonist und Klarinettist Reto Suhner seine Quartettformation, die er immer als gleichberechtigte Einheit sieht. Also keine Band mit ihm als Leader und blossen Gefolgsleuten um ihn herum. Zum Jubiläum gönnt sich der Schweizer direkt mal ein Doppelalbum. Und wer "20" (Anuk) in Ruhe durchhört, der trifft auf wirklich entdeckenswerte Musik, die auf der Jazztradition fusst, aber viele Fenster zur Freiheit öffnet.

Zeitungshaus Bauer, Juli 2020

Weites Feld

Mit 20 neuen Kompositionen feiert Reto Suhner das 20-jährige Bestehen seines Quartetts. Der Appenzeller Holzbläser bewegt sich damit in einem stilistisch wie geografisch weit gefassten Feld. Klangvielfalt schafft auch das vielförmige Instrumentarium, dessen sich nicht nur der Bandleader mit Saxofone und Klarinetten bedient. Pianist Philip Henzi spielt auch Flügelhorn oder Wurlitzer. Eine eigene Welt eröffnen die witzigen Stücktitel.

Kulturtipp, Frank von Niederhäusern

Reto Suhner- Lebendigkeit statt Perfektion

Im Jahr 2020 20 neue Kompositionen zum 20.Jubiläum seines Quartetts: Im Gespräch mit JAZZ'N'MORE spricht der 46-jährige Reto Suhner über die Zeit während Corona, weshalb das Unterrichten auch neue Perspektiven eröffnen und Tai Chi auch positive Auswirkungen auf den Jazz haben kann. 

J'N'M: Reto Suhner, wie haben Sie den Lockdown während der Coroan-Krise erlebt?RaS: So weit so gut. Ich hatte das Glück, dass ihc weiter unterrichten durfte. Da die Konzerte alle abgesagt wurden, fehlte da ein Teil des Gemeinsschaftsgefühls. Aber die Musik fand trotzdem statt, einfach alleine. Es fühlt sich an, als hätte ich sehr lange mit mir alleine geredet.

J'N'M: Das Doppelalbum trägt den Titel "20". Was war die Idee dahinter?

RS: Wir gingen letztes Jahr für drei tage ins Studio. Ich habe viel geschrieben, wir haben ohne gross nachzudenken aufgenommen und am Ende hatten wir plötzlich 20 Songs. Ich dachte dann: Okay, das Quartett existiert seit 20 Jahren und wir haben das Jahr 2020. Irgendwie hatte ich damit einen Aufhänger, auch wenn dies nicht so geplant war. Die Stücke sind auch sehr verschieden ausgefallen. Es gab auch Stimmen, die die Frage aufwarfen, ob es in einer Zeit, in der nur noch via Playlists Musik gehört wird, es Sinn machen würde. Für mich macht dies total Sinn. Ich möchte aktiv und produktiv sein und das tun, was mir gefällt. Es ist eine Form von Freiheit.

J'N'M: Das erste Stück heisst "Simple". Der Name täuscht, es ist eigentlich alles andere als simpel.

RS: Die Melodie ist sehr einfach. Wenn man von ihr ausgeht, ist der Name schon richtig.

J'N'M: Aber dann kommt es darauf an, was man damit im Zusammenspiel alles anstellt.

RS: Genau

J'N'M: Viele Songs wirken wie Wölfe im Schafspelz. So denkt man anfänglich bei "Supi" oder "Duftsiegel", das habe ich irgendwo schon mal gehört. Da weiss man, wie es weitergeht. Doch dann kommen subtile Wendungen und überraschende Brüche, die unsere Hörerwartung in die Irre führen.

RS: Es ist letztlich auch ein Spiel mit der individuellen Hörerfahrung.

J'N'M: Bei "Supi" sind es zu Beginn diese Bossa-Nova-Rhythmen, bei denen man sich schon daran macht, sich gemütlich einzurichten und dann plötzlich: Hoppla! Da hat es Sandlöcher im Terrain.

RS: (lacht) Ich mag Überraschungen. Jazz ist für mich Freiheit, Improvisation, Ausdruck. Aber auch im Jazz gibt es Dinge, die mich emotional nicht erreichen. Wenn ich etwas bereits kenne, dann langweile ich mich. Deshalb geht es mir in erster Linie um die Lebendigkeit.

J'N'M: Sie haben erwähnt, dass Sie auch unterrichten. Kommen sich dabei der Künstler und der Pädagoge manchmal in die Quere? Läuft man Gefahr, Musik zu machen, die bloss noch im Kopf stattfindet und nicht mehr im Bauch?

RS: Es gibt schon Momente beim Spielen, wo ich denke, jetzt wir es zu didaktisch. Oder wenn ich beim Unterricht gewisse Sachen ausprobiere, bei denen ich merke, ich überfordere meine Schüler. Manchmal geschieht aber auch das Gegenteil. Ich hatte einen Schüler, der einen Blues spielte, bei dem er jeden Ton als Triller spielte. So was hatte ich bis dahin noch nie gehört. Und als Lehrer wurde ich für diese Inspiration sogar noch bezahlt! (lacht)

J'N'M: Man könnte dieselbe Frage auch positiv stellen. Dass man von jungen Menschen frische Ansätze zu hören bekommt.

RS: Ich bin kein Perfektionist. Ich tue Dinge auf spielerische Art und versuche eigentlich unentwegt, meine Fantasie zu beflügeln. Und das kann sowohl in einem Konzert als auch in einer Unterrichtsstunde passieren.

J'N'M: Es gibt ja grossartige Virtuosen, die alles am Instrument beherrschen und trotzdem lebt die Musik dadurch nicht.

RS: Genau. Die Schüler haben ja oft das Problem, dass sie durch das Schulsystem sehr auf Perfektion bedacht sind. In solchen Fällen betone ich dann, woher die Musik eigentlich kommt. Sie wurde früher bei gesellschaftlichen oder spirituellen Anlässen gespielt. Da spielte die Perfektion keine Rolle. Es ging um Energie, Bewegung, Resonanz. Irgendwann begannen die Klänge in einem zu schwingen.

J'N'M: Wie sehen Sie das Verhältnis zwischen Improvisation und Komposition? Die Improvisation, die entsteht aus dem Moment heraus. Die Komposition existiert auf einer anderen Zeitachse, sowohl wegen ihrer Entstehung, aber auch durch ihre Verewigung auf Papier.

RS: Wir haben in Zürich eine Art Komponisten-Jam, das Composers collective. Wir treffen uns einmal pro Monat, und jeder schreibt etwas für die Band. Dadurch befinde ich mich unentwegt im Prozess des Schreibens. Und manchmal bin ich zu spät dran (lacht). So habe ich mal fünf Minuten vorher ein Stück geschrieben, das einzig aus Wellenlinien bestand, die jeder dann zu spielen hatte. Ich nannte die Komposition "Die Anleger sind nervös". (lacht)

J'N'M: Ich nehme an, nicht alles geschieht so kurzfristig.

RS: Ich verfolge seit etwas zwei Jahren ein neues Konzept. dies habe ich dann bei drei neuen Stücken angewendet, und zwar bei "Bilanzverlängerung", "Die Verteilungsfrage" und "Duftsiegel". Da habe ich zuerst die Pausen geschrieben. Ich notiere als Erstes die Taktarten oder Taktlinien. Danach schreibe ich die Pausen rein und erst dann schreibe ich irgendwelche Töne. Manchmal ergibt dies zu Beginn überhaupt keinen Sinn und vieles geschieht bei der Tonsetzung völlig zufällig. In der Folge spiele ich diese Anordnung immer und immer wieder. Es ist, als würde ich ein Fremdwort lernen und langsam beginne ich dann zu verstehen, wie das gemeint ist. Es entsteht eine Natürlichkeit zwischen den Elementen und plötzlich wird daraus auch eine schlüssige Melodie.

J'N'M: Dann ist das Komponieren plötzlich keine einsame Sache mehr, weil die Musik beginnt zu einem zu sprechen. Es kommt zu einem Dialog.

RS: Genau. Ich probiere unentwegt Neues aus. Bei "Diplomjäger" kann der Schlagzeuger angeben, ob die Linie von links nach rechts oder von rechts nach links gespielt wird. Am Anfang war das so, dass nieman von uns von recht nach links lesen konnte. Wie geht das? Muss ich mir das aufschreiben? Solche Sachen sind spannend.

J'N'M: Wenn wir vorher schon über die Songtitel gesprochen haben, die beim Lesen neugierig machen. "Diplomjäger", "Pensenkontrolle", "Verteilungsfrage", "Bilanzverlängerung". Die lesen sich auch als Kommentar zur Gesellschaft.

RS: Ja, manchmal gibt es gesellschaftspolitische Zustände, die mich interessieren. Aber "Pensenkontrolle" stammt eigentlich nur aus dem Berufsalltag eines Lehrers, der ein entsprechendes Blatt ausfüllen muss.

J'N'M: Womit wir wieder beim Wolf im Schafspelz wären. "Pensenkontrolle" verspricht als sachlicher Titel ein nach 08/15-Schablone geschriebenes Stück. Doch dann wird mit diesen Pensen jongliert und das Auge zwinkert wieder.

RS: Bei der "Pensenkontrolle" war es so, dass immer der Grundton und die Quinte definiert waren, und man konnte selber einschätzen, ob und wie man das nun spielen will. Wie Bewegungsübungen, in denen man die Teile hin und her schieben kann wie auf einem Pensenblatt. Oder "Ersatzkomposition". Diese Stück habe ich der SBB gewidmet. Wenn es am Bahnhof über den Lautsprecher heisst, es komme nun eine Ersatzkomposition, erwarte ich als Musiker ein neues Stück. (lacht)

J'N'M: Sie haben während des Corona-Lockdowns im Internet das "Saxophone Silent Teaching" eingeführt...

RS: Ich habe ein paar Privatschüler, die hatten viel Zeit, aber sie wussten nicht so richtig, was sie daraus machen sollten. Im Internet existieren viele Musikinstruktions-Videos, in denen zwei Stunden nur geredet wird. Wenn ich meinen Schülern etwas erkläre, dann begreifen sie dies zwar intellektuell, aber der Körper hat noch gar nichts begriffen. Aber weil es der Kopf weiss, denken sie sich: Okay, ich kann das. Mit "Silent Teaching" versuche ich, den umgekehrten Weg zu gehen und die Wörter einfach wegzulassen. Es gibt Themen, die kann man sehr einfach ohne Text vermitteln.

J'N'M: Sie improvisieren im Duo mit Fabian M.Mueller und im Projekt Multimulti mit Scott Robinson und Steffen Schorn. Doch letztlich sind sie über all die Jahre dem Quartett treu geblieben. Weshalb?

RS: Das ist eine gute Frage (überlegt). Ich denke, es geht auch hier wieder darum, mit den Hörgewohnheiten zu spielen. Gerade auch, weil das Quartett in dieser Besetzung die gebräuchlichste Variante darstellt.

J'N'M: Sie unterrichten auch Tai Chi. Existiert da auch ein Wechselspiel mit der Musik?

RS: Es gibt sehr viele Parallelen. Wenn ich dieselbe entspannte Konzentration beim Spielen wie beim Tai chi erreiche, dann fühlt sich alles gut an. Wenn man das Instrument während des Spielens wechselt, dann dauert es meist einen Moment, bis man sich neu eingestellt hat. Bin ich aber in dieser entspannten Konzentration drin, gelingt  mir dies unmittelbar. Ich weiss dann schon, bevor ich den Ton spiele, dass er genau so erklinge wird, wie erin meiner Vorstellung schon existiert.

J'N'M: Ich denke, dass diese sich erarbeite Gelassenheit, auch hörbar wird fürs Publikum.

RS: Dazu gibt es eine Geschichte: Meine Mutter ist nicht so musikalisch- also das sage nicht ich, sondern sie von sich selber (lacht). Sie fand zwar toll, dass ich mit "Born in Herisau" damals mein erstes Album als Leader veröffentlicht habe, aber sie hörte es sich nicht an. Wenn ich mir die Platte heute anhöre, dann fällt auf, wie ich damals mit mir gekämpft habe und Dinge machen wollte, die ich nicht spielen kann. Heute sind die Stücke sowohl kompositorisch wie gespeilt komplexer. aber es existiert eben auch diese Entspanntheit und deshalb hört nun auch meine Mutter die Musik. Sie merkt, wie ich mich beim Spielen fühle. Und das ist natürlich sehr schön. (lächelt)

Jazz'n'More, Juli 2020 Rudolf Amstutz

Der Schweizer Jazz-Musiker Reto Suhner arbeitet mit seinem Quartett bereits seit 2000 zusammen. 2016 war es, dass mich sein Album „“Easy“ als lebendiger Bestandteil der Schweizer Jazzszene stark begeistern konnte. Die gleichen Musiker finden wir auf der Doppel-CD 20.

Erneut wird durch die vier Musiker eine sehr dichte und harmonische Atmosphäre erzeugt, aufgefallen war mir die traumwandlerische Einheit, wobei mir damals auch besonders dieser weiche und warme Klang im Spiel des Saxofonisten gefiel. Doch die Musik dieser Platte ist noch kreativer, und man nimmt sich Zeit, das auf den 20 Songs auszukosten. Die Zahl ist nicht nur durch die Anzahl der Titel gekennzeichnet, denn, siehe oben – man feiert das 20-jährige Bestehen der Formation, und auch das wird ausgiebig zelebriert, und ich als Teilnehmer der Party kann nur frohlocken ob der hochwertigen Kost, die dieses Büfett bietet.

Entstanden ist Musik, die sich auf einer großen Palette der mannigfaltigen Farben bedient und 20 kleine Bilder malt, die allesamt kleine Meisterwerke darstellen, mitunter auch durchaus abenteuerlich.“Simple“, zum Auftakt der ersten CD, klingt wie gepflegter Jazz in einer Bar, des Nachts, wenn noch wenige Gäste da sind und den Abend ausklingen lassen in ruhiger und lasziver Stimmung, ein wenig gedankenverloren über verpasste Gelegenheiten, über den Sinn des Lebens, und dazu spielt die Band locker swingenden Jazz, zunächst als Piano-Trio, bis sich nach gut vier Minuten dann doch noch der Saxofonist auf die Bühne begibt, um mit Bass-Saxofon und Contra-Alto-Klarinette die nächtliche Stimmung zu erweitern. Mit “Jolán's Kräutergarten“ geht es dann ganz cool weiter, ein wenig Cool Jazz mit einer Stimmung, die mich ein wenig an die Musik von Lee Konitz erinnert. Track 3: verträumt dahinschleichende Stimmung, mit wortlosem Gesang, ein wenig Latin-Touch in der Richtung von Purim/Moreira versprüht das, es könnte sich noch Wayne Shorter dazugesellen. Und beim vierten Song ist es dann schon wieder anders. Hier wird der Jazz um Fusion-Elemente ergänzt. So zieht sich diese sehr bunte Abwechslung durch die ganze Platte, und wir sind noch bei der ersten CD des Doppelalbums 20, mit 20 Titeln.

Dem Line-up ist zu entnehmen, wie die Vielseitigkeit durch die Fülle der verwendeten Instrumente unterstützt wird, so erleben wir auf “Polypoly“ ein Theremin (wer diesen Sound noch nicht kennt – hitträchtig aufgetaucht als jaulendes Geräusch einst bei den Beach Boys und “Good Vibrations“, war es dort jedoch das sehr ähnlich klingende Tannerin) Diese Vielseitigkeit hat einen enormen Output an Kreativität zur Folge, und das ist immens unterhaltend und vielschichtig.

Dieses wird nach Einlegen der CD 2 dann auch sogleich fett unterstrichen, Suhner setzt hier neben seinem Sopransaxofon noch das Mridangam, eine zweifellige Doppelkonustrommel, und die Shruti Box, ein mit einem Blasebalg versehenem Instrument, dem Harmonium ähnlich, ein. Auch mit einem Modularsynthesizer (CD2, #3) wird gearbeitet, um dem Jazz ungewöhnliche Klangfarben beizumischen und weitere exotische Instrumente finden verschiedentlich ihren Weg, weitere Synthesizer, oder ein Bansuri (CD2, #7) oder ein Duduk (CD2, #10). So macht es wirklich Freude, den Jazz mit traditioneller Basis und einer zusätzlichen Frischzellenkur durch Einbeziehung „fremder“ Elemente neu zu erleben. So bleibt diese Musik auch lebendig und lässt auf ihren Fortbestand hoffen.

(19/20)

Wolfgang Giese, Musik an sich, 8.6.2020

Jeder will ihn haben

Die beiden Aarauer Jazzveranstalter präsentieren in der gleichen Woche unbeabsichtigt den gleichen Musiker. Und das ist gut so, denn Reto Suhner ist ausserordentlich.

"Born in Herisau" hiess die erste CD des Ostschweizer Holzbläsers Reto Suhner. Das stimm t natürlich: Tatsächlich kam Reto Suhner 1974 in Herisau zur Welt. Der Titel meinte aber weit mehr als das, nämlich die Behauptung der eigenen Identität. Die Musik, mit der sich Suhner seit mehr als zwanzig Jahren herumschlägt, ist Jazz, amerikanische Musik. Aber Jazz ist improvisiert, was heisst, jeder ist seines musikalischen Glückes Schmied und für seine Kunst selber verantwortlich. Und so klingt eben Musik "Made in Herisau" anders als "Made in USA". Reto Suhner ist einer der interessantesten Musiker der mittleren Jazzgeneration hierzulande. Einerseits ist er als Instrumentalist mit allen technischen Wassern gewaschen, hochvirtuos auf Saxofonen, Klarinetten und Flöten, einer der überall Qualitätsarbeit abliefert. Suhner allerdings ist mehr. Er drückt jeder Band seinen Stempel auf- durch seinen eigenen Sound, durch seinen musikalische Präsenz und nicht zuletzt durch seinen Witz. Und das heisst auch: jeder will ihn haben. Reto Suhner ist hochwillkommen, in Bands jeder Grösse. Der Schlagzeuger Pius Baschnagel hat das gemerkt. Als er sein Quintett zusammenstellte, war eines schnell klar: Reto Suhner musste dazugehören (und der Posaunist René Mosele, auf den fast alles, was für Suhner gilt, auch richtig ist). Denn Baschnagels Stücke haben oft den Drive des Rhythmikers, Suhner fliegt mit, wie wenn nichts wäre. Baschnagel hat Lust auf elektronische Klänge, Reto Suhner bringt den ältesten Synthesizer überhaupt mit, das Theremin. Pius Baschnagel will seinen Musikern Freiheit geben, Suhner lässt sich das nicht zweimal sagen und startet zu Höhenflügen wie man sie nicht alle Tage hört. Bei alldem fällt auf, dass da einer unterwegs ist, der eine essenzielle Aussage sucht, lieber nicht spielt, als mogelt, kein musikalisches Geschwätz, sondern relevante Diskussionsbeiträge. Reto Suhner zuzuhören, lohnt sich also immer, in seinem eigenen Quartett so gut wie in der Baschnagel Group- in Aarau geht das!

Beat Blaser Aargauer Kulturmagazin, November 2018

Pfiffiger Mix

"Easy" (ANUK/iTunes) hat das Schweizer "Reto Suhner Quartet" seine neue Platte betitelt. Und damit sicher nicht den Kern der eigenen Musik gemeint. Die ist nämlich eine pfiffige Verbindung von Jazztradition mit eigenen Ansätzen und Ideen.

cg, Zeitungshaus Bauer 26.7.2016

Die Idee des Moments

Knisternder Jazz. Stimmungsvoll und expressiv zugleich beginnet "Easy", das neue Album des Schweizer Saxofonisten Reto Suhner. "Die Schlafende Acht" hesisst das Eröffnungsstück, wo die Saiten des Kontrabasses saftig schnalzen, Suhners Sopransaxofon wendig einsteigt, das Klavier das Thema weiterspinnt und das Schlagzeug die Fäden mit einem fein ziselierten Puls zusammenbindet. "Die Idee des Moments oder auch des Zufalls spielt in unserer Musik eine zentrale Rolle", gibt Suhner zu bedenken; genau diese Offenheit zeichnet "Easy" aus. Mit leichter Brise oder munterern Easy Listening hat die Musik des Quartetts nicht zu tun. Im Gegenteil: Die Band wildert frech in der Geschichte des Modern Jazz und interpretiert diese auf eine ganz eigene Art und Weise neu. Mit ungeraden Metren sowie harten Brüchen in Melodie und Harmonik gelingt es dem Reto Suhner Quartett, eine knisternde Spannung geradezu beiläufig zu erzeugen- und dem Zuhörer trotz einem anspruchsvollen Ansatz grossen Spass zu haben. 

Basler Zeitung, 11.4.2016

Der Demokrat

Baden- Er zählt zu den begnadetsten Improvisatoren des Gegenwarts-Jazz: Reto Suhner.

Reto Suhner ist weder ein Lautsprecher noch ein Leisetreter: Obwohl der Saxophonist mit Jahrgang 1974 zu den blendendsten Improvisatoren des Gegenwartsjazz zählt, ist er alles andere als ein Blender. Suhner, der auch an der Kanti Baden unterrichtet, sagt: "Ich will nicht berühmt werden, sondern weiterkommen, um meine Ideen besser ausdrücken zu können." Man glaubt es ihm aufs Wort. Seinen formidablen Ruf hat Suhner nicht zuletzt seiner Hartnäckigkeit zu verdanken. So setzt er als äusserst demokratisch gesinnter Bandleader seit vielen Jahren in erster Linie auf das kommunikative Zusammenspiel im Quartett-Format. Zum aktuellen Quartett Suhners gehören mit dem Philip Henzi, dem Bassisten Silvan Jeger und dem Schlagzeuger Dominic Egli drei hellwache Interplay-Spezialisten, die sehr freigeistig und kreativ mit dem vorgegebenen Material umzugehen verstehen- egal, ob es sich dabei um eine schillernde Ballade ("Portrait of Jennie") oder eine gewagte Kombination aus Coltrane-Harmonien und ungeraden Rhythmen ("Alles") handelt. Zu hören sind diese und sieben weitere Stücke auf seinem neuen, sublimen Studioalbum "Easy" (Anuk), das vor ziemlich genau einem Jahr aufgenommen wurde. Bei Auftritten pflegt die Band mehrere Stücke in spontaner Manier zu Suiten zu verweben. Suhner sagt: "Die Idee des Moments oder auch des Zufalls spielt eine grosse Rolle." Dabei brilliert Suhner nicht nur als Bandleader, sondern auch als variabel phrasierender Saxofonist. Ein Sound-Alchemist mit einem hohen Mass an Originalität.

Tom Gsteiger, Aargauer Zeitung 23.3.2016

Wer sich gerne mitten hineinbegeben will in den modernen improvisierten Jazz à la Coltrane oder Coleman, der ist beim Schweizer Saxophonisten Reto Suhner bestens aufgehoben. Zusammen mit Philip Henzi an Piano und Keyboards, sowie Dominic Egli am Schlagzeug und Silvan Jeger am Bass, beweist der Mann aus dem Appenzell, dass man Alt und Neu prima auf einen gemeinsamen Nenner bringen kann. Das Quartett zeichnet sich durch originelle Stücke aus, bei denen das Improvisationspotenzial der einzelnen Musiker immer wieder verblüfft. Herz was willst Du mehr! Egal ob lyrisch, quirlig oder extrem rhythmisch, dem Reto Suhner Quartet gelingt perfekt die Verklammerung von Komposition und Improvisation. Es müssen also nicht immer die grossen Namen her, wenn es um klugen und frischen Jazz geht.

Sound-and-Image 3/2016

Die Schweiz, eines der führenden Länder im Bereich des modernen Jazz und die Anlaufstelle schlechthin für aufstrebende junge Musiker dieser Zunft, hat mit Reto Suhner, einen Holzbläser vor dem Herrn am Start, dessen neues Quartettalbum für sich, die Macher und die "alte Tante" Jazz einnimmt, denn: Hier wird das klassische Rezept mit frischsten Zutaten gekocht.

"Easy" erweist sich dahingehend als Kunstgriff, als es fließt und dennoch im positiven Sinn hakelt, was das Zeug hält, sodass der Hörer staunt und bei der Stange bleibt, ohne intellektuelle Verrenkungen machen zu müssen. Bei aller Gerissenheit der Musiker wirkt die Chose ungemein locker und nicht zuletzt elegant, wie das swingende Titelstück beispielhaft bezeugt.

Minimalmelodien ("Die schlafende Acht") passen dabei ebenso gut ins Bild wie recht ungewohnte Klangfarben, etwa im vorwitzigen "Alles" die verschmitzte Orgel oder ein verstimmt klingendes Klavier ("Das menschliche Moment"). Vor allem aber ist es der motivische Einfallsreichtum und die Stringenz des Gebotenen selbst in augenfälligen Stegreif-Momenten, derer es trotz "ausgeschriebener" Stücke sicherlich eine Menge gibt.

Die unisono mit dem Saxofon singende Stimme während "Illusions III: Colour", das ansonsten vor allem die Rhythmusgruppe ins Schlaglicht rückt, was so bestimmt nicht geplant, wohingegen fast Bordun-artige, flächendeckende Strukturen - Klangteppiche über die konventionelle Webung hinaus - zwar definitiv nicht spontan zustande kamen, aber ohne Effekthascherei ins Gefüge passen. Die im Schnitt sechs Minuten langen Stücke bleiben ununterbrochen aufregend, ohne aufzuregen.

"Gizmo", die einzige Komposition des trickreichen Pianisten, verbindet das Kantige von Querdenker Thelonious Monk mit der Grazie von nahezu klassischem Swing, und neben dem intimen Abschluss "Samsara" ist das sehr licht arrangierte "Second Thoughts" ein Höhepunkt, dessen Leerstellen gerade das Salz in der sprichwörtlichen Suppe ausmachen ... aber hören wir mit den Klischees im Text auf; sie tun diesem durch und durch frischen Album Unrecht.

FAZIT: Ein oft aufregendes, manchmal erfreulich abwegiges äh ... Auf und Ab im Idiom Jazz und zugleich auch ideel ebendies: Reto Suhner und seine drei Freunde leben die Freiheit aus, die Coltrane, Mingus, Miles und Ornette einmal gemeint haben - und zwar im Hier und Jetzt. 

Andreas Schiffmann, musikreviews 4.3.2016

Auf in die Schweiz! Dorthin, wo der Jazz lebendig zu sein scheint, und auch oft neue Impulse von dort gegeben werden. Unterstützt durch die Kulturförderung Appenzell Auserrhoden haben diese vier Musiker ein weiteres Album vorgelegt, alles “easy“?
Nun, sie alle sind noch jung,
Reto Suhner ist Jahrgang 1974, Philip Henzi wurde 1977 geboren, Silvan Jeger im Jahr 1985 und Dominic Egli 1976. Sie verfügen über eine fundierte Ausbildung und haben bereits mit zahlreichen anderen Musikern zusammengespielt.

Die vier Musiker schaffen eine sehr dichte und harmonische Atmosphäre, die sich überwiegend in ruhigen Gefilden abspielt. Und so fließt die Musik in dieser Stimmung dahin, ohne dass sie dadurch nur spannungsarm wäre. Denn das, was geboten wird, ist innerhalb jedes Stücks sehr abwechslungsreich, sei es durch kurze Rhythmuswechsel, Anziehen des Tempos oder durch spontan entstehende Ideen, denen in versierten Improvisationen Ausdruck verliehen wird.

Hier schwingt ganz stark der Cool Jazz, zwischendurch gibt es auch dann auch einmal eine Überraschung, wenn dann auf “Das menschliche Moment / Illusions III: Colour“ mit einem herrlich verstimmten Klavier eingeleitet wird. So ist es gut, wenn Jazz nicht nur akademisch und steril, sondern auch mit einer Portion Humor und, wie es hier auch offensichtlich scheint, mit viel menschlicher Wärme geboten wird. Die Musik schwebt mitunter, man ertappt sich dabei, ein wenig mit zu schweben und den Gedanken freien Lauf zu lassen. Dabei werden diese oft unterbrochen durch spontane Ideen, die sich aus dem Lauf einzelner Songs zu entwickeln scheinen, beim soeben genannten Stück quillt plötzlich ein Sound aus den Boxen, der mich zurückträgt in jene Zeit, als Miles Davis dabei war, dem Jazz ein wenig Rock zu verpassen, ich spreche von “Bitches Brew“. Man gewinnt somit den Eindruck, als sei diese spontane „Planung“ Teil des Konzepts, ich liebe so etwas, besonders, wenn es obendrein noch so gut vorgeführt wird wie auf dieser Platte.

Es liegt mir nicht, einen der Musiker besonders herausstellen zu wollen, denn die Vier bilden eine traumwandlerische Einheit, wobei mir dennoch besonders dieser weiche und warme Klang im Spiel des Saxofonisten gefällt.

Wolfgang Giese, Musik an sich 4.3.2016

Schönes Titelblau mit der typographischen Skulptur "Easy" beschwingt den Hörer beim Einschieben der CD. Leichtfüssig ersteht die Musik und spielt sich entspannt fort. Ein starkes Jazzbewusstsein ist spürbar, Traditionen werden absorbiert und für das zeitgenössische Gefühl neu umgedeutet. Alles geschieht mit Kanten und Flow, die sich zwischen komponierten und freien Stellen gegenseitig sanft erhitzen. Die Band ist gut eingespielt, die Gruppendynamik strebt nach Balance und Erneuerung, es besteht keine Eile, sich als besonders ausgefuchst spüren zu wollen. Strukturen sind wichtig, fluktuierende Themen werden wie Hürden genommen, über die man schweben oder die man durchdringen kann. In "Alles" hat Suhner einen Ausschnitt Coltrane mit ungerader Taktart kombiniert. "Second Thoughts" entstand aus einer Übung mit einer von Suhner selten gespielten Moll-Tonleiter, wie wir im informativen Beschrieb lesen. "Gizmo" stammt aus der Feder des Pianisten Philip Henzi, das mit lyrischen Tönungen schwungvoll den unothodoxen Mainstream durchquert. "Easy" trägt gewiss auch einen Hauch jener Leichtigkeit, mit der man sich für das Heute wappnet, um im Musik-Business-Stress warme Ohren zu bewahren. Gelichzeitig wirkt die Idee des Moments oder des Zufalls, die laut Suhner in diesem Quartett eine grosse Rolle spielt. Das hält die Musik auch unter der Oberfläche easy.

Pirmin Bossart, Jazz'n'More 2016

Leicht

Der Ostschweizer Saxofonist Reto Suhner ist ein Komponist mit klaren Vorstellungen. Trotzdem klingt seine Musik oft wie soeben erfunden, so leicht und offen spielen die Musiker seines Quartetts zusammen. Ob eine Klangmalerei mit verstimmtem Klavier, ein harmonisch exaltiertes Stück Jazz oder freies Zusammenspiel: Immer herrscht eine Selbstverständlichkeit, die dies eben nicht ist. Reto Suhners Flöten und Klarinetten klingen zum Heulen schön.

kulturtipp 04/2016 vom 4. Februar 2016

von Beat Blaser, SRF 2 Kultur

Freiheit - Verantwortung - Vertrauen

Easy? Wie man’s nimmt! Auf Easy-Listening-Jazz ist Reto Suhner definitiv nicht umgeschwenkt! Aber es gibt lange Passagen auf dem neuen Album seines Quartetts, die enorm leichtfüssig daherkommen und wo man als enthusiasmierter Zuhörer das Gefühl hat, die Band würde gleichzeitig am Boden grooven und über den Wolken schweben. 

Easy? Wie man’s nimmt! Das agile, hellwache, aber alles andere als stromlinienförmige Zusammenspiel dieser seit einem halben Jahrzehnt bestehenden Band ist das Resultat eines von Reto Suhner bewusst geförderten Prozesses, bei dem zwei Ziele verfolgt werden. Zum einen wird eine fleixible Gruppendynamik mit ganz unterschiedlichen Möglichkeiten für spontane Interaktion angestrebt. Zum anderen werden Komposition und Improvisation nicht streng voneinander getrennt, sondern einander angeglichen - z.B. durch freie Fenster innerhalb eines Stücks oder durch «Instant Composing». Suhner sagt: «Die Idee des Moments oder auch des Zufalls spielt eine grosse Rolle.» 

Easy? Wie man’s nimmt! Hier sind mit Suhner (Saxofon), Philip Henzi (Tasten), Silvan Jeger (Bass) und Dominic Egli (Schlagzeug) vier Musiker am Werk, die sich durch das grosse Paradox des Jazz nicht beirren, sondern beflügeln lassen: Jazz kommt dann der Perfektion am nähesten, wenn er nicht nach Perfektion strebt, sondern Fehler zulässt und kreativ mit diesen umzugehen versteht. Wobei die Frage erlaubt sein muss, ob es im Jazz überhaupt Fehler gibt? Monk sagte: «Wrong is right.» Und Suhner stellt eine ganz wichtige Frage: «Wenn aber die Musik ein Abbild der Gesellschaft oder des Lebens sein soll und “gefühlte Zeit” (Steffen Schorn) transportieren kann, wie perfekt darf/soll/muss die Musik dann sein?» Suhner & Co. sind keine abgebrühten «Jazz-Manager», sondern «Jazz-Philosophen» und «Jazz-Abenteurer». Sie bilden ein Team, das grossen Wert auf individuelle Freiheit legt, in dem aber auch jeder die Verantwortung fürs Ganze übernimmt. Dieser Spagat ist nur möglich, weil jeder jedem vertrauen kann.  

Easy? Wie man’s nimmt! Das Quartett extemporiert auf der Grundlage von Stücken, die alle mehr oder weniger stark von 08/15-Modellen abweichen (und weil eine Studioaufnahme kein Konzert ist, gibt es auch noch ein paar Overdub-Leckerbissen). Am normalsten kommt zweifellos die Ballade «Portrait of Jennie» daher, bei der es sich um die Titelmelodie eines Hollywood-Streifens aus dem Jahre 1948 handelt und die von Suhner mit neuen Harmonien ausgestattet wurde. In seinen eigenen Stücken operiert Suhner mit ganz unterschiedlichen Kniffen. Dass «Alles» einen an Coltrane erinnernden Sog entwickelt, ist kein Zufall, handelt es sich doch um eine Kombination von «Coltrane Changes» («26-2») mit ungerader Taktart. «Second Thoughts» entstand aus einer Übung mit Moll-Tonleitern, die Suhner ansonsten kaum benutzt: Indem er seine Hörgewohnheiten herausfordert, findet er zu unverbrauchten Lösungen. In «Illusion: Colour» wird ein Puls in unterschiedliche Taktarten zergliedert. Wichtiger als die Funktionsweise von Stücken zu erklären, ist allerdings die Feststellung, dass man gar nicht genau zu wissen braucht, was hier vor sich geht, um mitzubekommen, dass hier auf unorthodoxe und doch organische Weise musiziert wird. Wer die Jazztradition liebt, aber auch überrascht werden möchte, ist bei dieser Gruppe an der richtigen Adresse: Sie bewegt sich vorwärts, vergisst dabei aber nicht, ab und zu in den Rückspiegel zu schauen.

PS: Reto Suhner liest auch gerne Bücher. Die Titel «Die Schlafende Acht» und «Das Menschliche Moment» hat er aus Büchern des Schweizer Schriftstellers Hans Boesch (1926-2003) entliehen. Mit den Romanen «Der Sog», «Der Bann», «Der Kreis» und «Schweben» schuf Boesch eine grosse Roman-Tetralogie.

Tom Gsteiger, Juli 2015

Die Ruhe und der Sturm – die Kompositionen und das Zusammenspiel dieses Quartetts sind eine entspannte Mischung aus Kontrolle und Abenteuer. Virtuose Läufe, teilweise am Rande der Tonalität, wechseln sich ab mit perkussiven Phasen, in denen die Musiker das klangliche Spektrum ausloten, und groovende, mitreißende Rhythmen verlassen gängige, „gerade“ Taktarten.

Reto Suhner führt seine Altsaxophon-Soli mit herausragendem Sound von tonalen in erweiterte Skalen und bis in die freie Tonalität. Philip Henzi setzt sein Klavierspiel bewusst kontrastierend zu dieser teilweise hohen musikalisch-klanglichen Dichte. Dem Quartett gelingen vielschichtige, spannende, bisweilen furiose Stücke, es gilt zu Recht als eines der herausragenden Jazzensembles der Schweiz.

Tolle Ankündigung für das Konzert in der Romanfabrik Frankfurt am Main, März 2015

Wo das Unerwartete geschieht

Es gibt etwas, worauf man sich beim Saxofonisten Reto Suhner verlassen kann: Ein Abend mit ihm ist ein guter Abend.

Sicher fühlen kann man sich bei Reto Suhner nie. Immer dann, wenn es gemütlich zu werden scheint, ist die Wahrscheinlichkeit gorss, dass das Unerwartete passiert: ein schleichender Stimmungsumschwung, ein Aufommen abrupter Bedrohlichkeit, ein Schlagzeugdonnerwetter oder ein Changieren von gegenständlichem zu abstraktem Jazz. Da weiss einer, wie man seine Klientel bei Laune hält, wie man sie von einem vertrauten Rahmen in eine ungewohnte Erlebniswelt manövriert. Nichts geschieht im Hau-Ruck-Verfahren, Reto Suhner ist sich auch nicht zu schade, temporär mit subtiler Noblesse zu bestechen, um diese im nächsten Moment mit wenigen Handgriffen ins Abgründige zu bugsieren. Suhner ist keine, in dessen Vita sich Meldungen über spektakuläre Kooperationen mit internationalen Hengsten aus der Jazzszene überschlagen. Ein paar Workshops hat er besucht, bei Leuten wie Jerry Bergonzi. Bela Lakatos oder Julio Barreto. Ein halbes Jahr weilte er in New York. Dann wars das. Der aus Herisau stammende Saxofonist hat lieber am Ausdruck seiner eigenen Bands gefeilt. Mit dem Reto Suhner Quartett hat er sechs Alben eingespielt und sich auch international einen Namen gemacht. Es ist die Kernformation des Saxofonisten. Zur Seite stehen ihm dabei das Berner Piano-Wunderkind Philip Henzi, das unmittelbar nach seinem Studium an der Swiss Jazz School Bern daselbst als Lehrkraft eingestellt wurde. Da sind der stilistisch wendige Kontrabassist Silvan Jeger und der stets verspielte Dominic Egli am Schlagzeug. "Jeder Abend ist anders", sagt Reto Suhner zu seinem Schaffen, und die Jazzwelt ist sich einig, dass jeder Abend mit Reto Suhner ein guter Abend ist.

Ane Hebeisen,  Der Bund 12.3.15

In Basel

Der sublim-expressive Saxophonist Reto Suhner zählt hierzulande zu den herausragenden «Jazz-Verflüssigern». Der in Herisau geborene Musiker und seine Bandkollegen – Philip Henzi (Piano), Silvan Jeger (Bass), Dominic Egli (Drums) – kreieren hellhörig und geistesgegenwärtig einen assoziationsreichen musikalischen Flow. Das Quartett orientiert sich dabei mal mehr, mal weniger konkret am komponierten Material. Für die neu vorliegende CD «Bird's Eye» haben alle Bandmitglieder, ausser Silvan Jeger, eigene Stücke beigesteuert; dazu kommt eine kurze, aber kunstvolle Version des Standards «I'll Remember April». Aufgenommen wurde das Album im Oktober 2013 in Basel.

Tom Gsteiger, St.Galler Tagblatt
29.1.14

Bird's Eye

Auf dem vorliegenden Live-Mitschnitt aus dem Basler "Bird's Eye" lässt sich Leader Reto Suhner von seinem Swiss Jazz Orchestra-Kollegen Philip Henzi am Piano, Silvan Jeger am Bass und Dominic Egli am Schlagzeug begleiten. Bis auf den Standard "I'll Remember April" stammen sämtliche Stücke von den Bandmitgliedern selbst, eines von Egli, eines von Henzi und drei von Suhner. All diesen Nummern wohnt etwas Skizzenhaftes inne; sie dienen den Musikern als Ausgangspunkt für ihre Erkundungsgänge, die mitunter recht weit führen. Dafür braucht es Zeit, entsprechend dauern die Stücke zwischen fünf und zehn Minuten. Die Ausnahme, welche die Regel bestätigt, ist wiederum "I'll Remember April": Der Klassiker ist mit zweieinhalb Minuten merklich kürzer als der Rest. Und auch der Charakter des Songs unterscheidet sich von den übrigen Tunes: Die Ballade wird als konzise Miniatur vorgetragen, bei der jeder Ton bewusst gesetzt ist. Die fünf restlichen Mitschnitte erscheinen hingegen als vergleichsweise grobe Skizzen, die andererseits wiederum viel mehr Raum zur freien Entfaltung bieten.

George Modestin, Jazz'n'More

1.10.13

Vier Virtuosen

Bird's Eye Reto Suhner Quartet

Der Saxofonist Reto Suhner, der die Jazz-Schule bei Carlo Schöb absolviert hat, wirkt in verschiedensten schweizerischen und internationalen Formationen mit. ... Das Reto Suhner Quartet präsentiert mit eigenen Kompositionen und internsivem Gemeinschaftsgefühl einen homogenen Sound. Die vier Musiker überzeugen mit einer grossen Bandbreite an Stimmungen von Nachdenklichkeit bis hin zu Expressivität. Speziell: Beim Konzert im Bird's Eye werden Live-Aufnahmen gemacht.

Basler Zeitung


03.09.12
Swiss Jazz vom Feinsten im Nudel26

Virtuose Läufe, teilweise am Rande der Tonalität, wechseln sich ab mit perkussiven Phasen, in denen die Musiker das akustische Spektrum ausloten. Hinzu kommen groovende, mitreissende Rhythmen, die häufig die gängigen, "geraden" Taktarten verlassen. Auch inbezug auf die Harmonik scheut man kein Experiment. Das Quartett des Saxofonisten Reto Suhner überzeugte in der persönlichen Atmosphäre des Lokals Nudel26 mit einem umfangreichen Set unkonventioneller Jazzmusik.
Auch wenn man sich als Zuhörer immer wieder in vertrauten Taktarten sowie Moll- und Dur-Septakkorden wiederfand, das nächste Eintauchen in dissonante Harmonien, gepaart mit rhythmischer Komplexität, folgte bestimmt. Es waren dann auch jene Momente, in denen die Spielfreude der vier Musiker scheinbar keine Grenzen kannte. Melodielinien wurden mit punktuell gesetzten Tönen unterbrochen, die oft das Eingangsportal zur rein perkussiven Musik bildeten. Dann wurde der Kontrabass kurzerhand zum Rhythmusinstrument umfunktioniert und stand mit dem Schlagzeuger im Dialog. Die immer weitere Ausdehnung der rhythmischen Komplexität führte bisweilen dazu, dass man sich nicht ganz sicher war, ob die rhythmische Ordnung bereits aufgelöst war oder nicht. Die Einsätze von Walking-Basses oder Grooves schafften dann jeweils wieder Klarheit. Im Titelnamen "Die schlafende Acht" legt Suhner seine Vorliebe für das Spiel mit dem Rhythmus offen.
Die Freude der Musiker am Erforschen der Klangräume war nicht zu übersehen. Reto Suhner führte seine Soli immer wieder von den tonalen Skalen in die erweiterte oder sogar freie Tonalität, um schliesslich seinem Instrument quietschende Geräuschtöne zu entlocken. Derweil raste Kontrabassist Silvan Jeger in schwindelerregenden Tempi von den tiefsten in die höchsten Lagen. Dominic Egli nutzte sämtliche Stellen seines Instruments. Der Band gelang es jedoch, die teilweise hohe Dichte an musikalischen Ereignissen in den Soli mit ruhigen, langsamen Abschnitten zu kontrastieren, in denen das Klavier - gespielt von Philip Henzi - am besten zur Geltung kam. Eingängige Melodien standen dann jeweils im Zentrum und brachten Ruhe ins Geschehen.

Lorenz Jaeger, Schaffhauser Nachrichten


29.04.11
Reto Suhner steht mit beiden Beinen in der Jazztradition. Mit grosser Selbstverständlichkeit beherrscht der 37-jährige Schweizer Saxofonist verschiedene Spielweisen. Und er profiliert sich durch ein ausgeprägtes Sensorium für die emotionalen Temperaturen und die dynamischen Fieberkurven dieser Musik. Dass sich seine Ästhetik trotzdem nicht auf Traditionalismus beschränkt, beweist er mit seinem Quartett auf dem neuen Album «Run». In den acht Eigenkompositionen (eine weitere stammt von Dominik Burkhalter) führt er die Band durch klanglich wie rhythmisch originell und klar ausgestaltete Arrangements. Suhner scheint sich von diversen Quellen (zwischen neuer Klassik und M-Base) inspirieren zu lassen. Doch die Einflüsse wirken nie fremd, sie sind angeeignet durch die persönliche Musikalität. Suhner räumt seinen Kollegen Lester Menezes am Piano, Fabian Gisler am Bass und Dominik Burkhalter am Schlagzeug viel Raum zur individuellen solistischen Entfaltung ein. Gleichwohl bleiben die Soli dem Wechselstrom des Zusammenspiels ebenso untergeordnet wie dem kompositorischen Bogen. Das zeigt sich auch in jenen Stücken, in denen Suhner das Quartett durch ein Streichtrio ergänzt – mit Tobias Preisig (v), Marion Namestnik (v), Daniel Pezotti (vcl). Das klangliche Spektrum erweitert sich dabei so selbstverständlich, als würde ein feinsinnig bemalter Fächer ausgebreitet.

Ueli Bernays, NZZ


21.04.11
Reise ins Ungewisse

Der Altsaxofonist Reto Suhner geht mit neuer Mannschaft an den Start.

Zwischen den Alben "Born in Herisau" (2001) und "Live in Schaffhausen (2008) durchlief das Quartett des Altsaxofonisten Reto Suhner eine staunenswerte Metamorphose: Aus einer guten Modern-Jazz-Band wurde ein risikofreudiges, unberechenbares Interplay-Ensemble, das in langen Bögen eine zwischen unruhiger Ruhe und mysteriösem Irrlichtern oszillierende Musik kreierte. Rückblickend meint Suhner: "Das war für mich eine ganz wichtige Erfahrung."

Erosion und Neuanfang

Mit "Run" liegt nun der Schwanengesang dieser grossartigen Gruppe vor: Dass neben Suhner, Lester Menezes (Piano), Fabian Gisler (Bass) und Dominik Burkhalter (Drums) auf einem Drittel der neun Nummer auch noch elegische Streicherklänge zu hören sind, verstärkt die Abschiedsstimmung. Das war von Suhner allerdings nicht so geplant: Nach dem er auf "Äbä" (2007) bereits Blechbläser zum Quartett hinzugeholt hatte, wollte er dieses Mal einfach eine andere zusätzliche Klangfarbe zum Einsatz bringen. Aufgenommen wurde "Run" vor zwei Jahren. Damals war die Quartett-Welt noch in Ordnung, doch danach setzte ein Erosionsprozess ein, den der alles andere als autokratisch gesinnte Bandleader folgendermassen beschreibt: "In musikalischer Hinsicht gab es keine Probleme, aber zwischenmenschlich hat es nicht mehr funktioniert - irgendwie hatte jeder einen anderen Plan für die Band." Und so kam es, wie es kommen musste: Nach einer Laufzeit von über zehn Jahren stellte Suhner den Betrieb ein.

Abenteuer geht weiter

Mit dem Pianisten Philip Henzi, dem Bassisten Silvan Jeger und dem Schlagzeuger Dominic Egli hat der aus Appenzell stammende Altsaxofonist nun ein neues Quartett formiert. Vom Status einer blossen Ersatzmannschaft ist diese Gruppe allerdings weit entfernt. "Meine neuen Mitmusiker spielen alle ganz anders als ihre Vorgänger. Auch wenn wir anfänglich noch kein neues Repertoire haben, muss ich ständig auf neue Sachen reagieren. Das empfinde ich als bereichernd", erklärt Suhner. Wohin die Reise längerfristig führen wird, ist ungewiss: Statt ausgeklügelte Konzepte zu ersinnen, spielt Suhner lieber weiterhin die Rolle des Katalysators, der interaktive Prozesse in Gang setzt. Das Abenteuer geht weiter.

Tom Gsteiger, Der kleine Bund


18.03.11
Vögel im Wind

Jazz ist Kommunikation. Wenn das musikalische Resultat einer Begegnung interessant sein soll, müssen die Musiker fähig und willens sein, einandern zuzuhören, aufeinander zu reagieren, im Austausch zu bleiben, sich gemeinsam fortzubewegen. Und dass dies alles mit langjährigen Bekannten besser funktioniert, leuchtet ein. Der Ostschweizer Saxofonist Reto Suhner spielt seit seiner Debüt-CD vor elf Jahren mit den gleichen Musikern, und das ist in jedem Ton hörbar. "Run" heisst Suhners CD, "Fly" wäre vielleicht passender; nicht im Schwarm, sondern in völliger Freiheit, losgelöst von den anderen und doch immer mit ihnen zusammen, fliegen Suhner und seine Kollegen durch die Stücke. Die Musik ist dicht und intensiv, aber nie überladen oder gehetzt, gescheit aufgebaut und doch nie kopflastig. Und getragen von Reto Suhners wunderbarem Saxofonsound. Ein grosses Vergnügen!

Beat Blaser, Aargauer Zeitung


01.03.11
Harmonisch und überraschend.
Jazz aus einem Guss, schöner Sound, konzise Kompositionen: der Ostschweizer Altsaxofonist Reto Suhner bestätigt mit der aktuellen CD seine Klasse. Inzwischen hat er sein Quartett ganz neu besetzt.

Eine kurze CD, gut 33 Minuten lang, umso eindringlicher spielt sie sich in Kopf und Herz. Das furiose Auftaktstück "Run", bei dem einem wieder die Glut von gutem Jazz bewusst wird, ist nur eine Seite der Musik. Die Band kann auch ganz anders, feiner , balladesker, lyrisch ausschweifender. Das ist vor allem dort zu hören, wo zur Quartett-Besetzung ein Streichrio dazukommt: Tobias Preisig (v), Marion Namestnik (v) und Daniel Pezzotti (vc) öffnen den Space und transformieren die Jazz-Aufruhr in eine kammermusikalische Ruhe.

Neue Klangfarbe

"Run ist die fünfte Platte, die ich mit diesem Quartett gemacht habe. Ich wollte einfach mal eine zusätzliche Klangfarbe einsetzen", sagt Reto Suhner zu dieser Entwicklung. Er habe dabei auch die "kompositorische Farbe" des Streicherklangs in seiner Musik ausprobieren wollen. Das Quartett ist in den zwölf Jahren seines Bestehens so gut zusammengewachsen, dass das Interplay immer traumwandlerischer und die Grenzen zwischen Komposition und Improvisation immer durchlässiger und damit unidentifizierbarerer geworden sind.
Also war das Streichtrio auch eine Herausforderung, die auf hohem Level eingespielte Bandaus der Routinezu holen und ihr zusätzliche Konturen zu geben. Andererseits hatte uhner auch Lust gehabt, nach der letzten Live-CD wieder kürzere Stücke auszuprobieren. Das letzt Album war ein Livemitschnitt vom Jazzfestival Schaffhausen und glänzte mit langen Spannungsbögen, in der sich das Interplay des Quartetts in allen erdenklichen Facetten entfalten konnte.

Orchestra-Erfahrungen

Reto Suhner (36) hat sich in den letzten Jahren als eher stiller Schaffer und Mann der wenigen Worte mit seiner Musik einen respektablen Namen in der Szene geschaffen. Der gebürtige Herisauer absolvierte die Jazz-Berufsausbildung, daneben nahm er klassischen Querflötenunterricht und machte Workshops bei Jerry Bergonzi, Art Lande, Ed Neumeister oder Julio Barreto. 1999 ging er nach New York und nahm Privatunterricht bei Dick Oatts, Billy Drewes, Rich Perry und Bob Mover. 1998 und 2007 wurde er mit dem Kulturförderpreis des Kantons Appenzell Ausserrhoden ausgezeichnet. Der Altosaxofonist hat viele Erfahrungen gesammelt, so mit dem Adrian Frey Septett, Herbie Kopf, Pius Baschnagel's Influences, Manuel Mengis Gruppe 6, dem Christoph Stiefel Trio oder Harald Härter. Als gefragter Instrumentalist ist er heute beim Zurich Jazz Orchestra, dem Swiss Jazz Orchestra, Lauer Large und dem Martin Streule Jazz Orchestra dabei. Regelmässig tourt er auch mit Mats-Up.

Neues Quartett

So konstant seine Sideman-Tätigkeiten sind, so konstant hat Suhner seine eigene Band gepflegt. Zwölf Jahre lang war das Quartett mit Reto Suhner (as), Lester Menezes (p), Fabian Gisler (b) und Dominik Burkhalter (dr) zusammen. Dich im letzten Sommer hat der Leader die Weichen neu gestellt und das Quartett mit Philip Henzi (p), Silvan Jeger (b) und Dominic Egli (dr) komplett neu besetzt. "Musikalisch hat das immer noch sehr gut funktioniert, aber zwischenmenschlich hat es Probleme gegeben. Verschiedene Ideen kamen sich in die Quere."
Die Umstellung stellt Suhner jetzt vor die Situation, das er zwar eine neue CD hat, die vom alten Quartett eingespielt wurde, aber unterdessen die Band eine ganz andere ist. 
Das macht es nicht leichter Gigs zu organisieren. Reto Suhner nimmt das Ganze mit Gelassenheit. "Natürlich gibt es unter den neuen Umständen Sachen, die schwierig sind. Aber so wie es ist, finde ich es trotzdem super." Eine neue Band fokussiert auch das Schreiben wieder neu und ermöglicht, unbelastet neue Wege zu gehen.

Form/Nicht-Form

Er sei "wahnsinnig harmonieorientiert", sagt Reto Suhner zu seinen musikalischen Merkmalen. Deswegen höre er neben Jazz auch gerne gewisse Bereiche der Klassik Gleichzeitig müsse ihn die Musik auch immer wieder überraschen. Zu Harmonie und dem Überraschungsmoment kommen die Übergänge, die ihn anziehen. "Die Mischung von Form/Nicht-Form, Komposition/Improvisation, aber auch die Übergänge zwischen den Stilarten oder unterschiedliche Gleichzeitigkeiten beim Time-Spiel haben mich immer am meisten interessiert."
An neuen Ideen mangelt es dem Saxofonisten nicht, wie er anlässlich seiner "Artist-in-Residence"-Abende im Oktober 2010 im Moods bewiesen hat. Unter anderem trat er dort erstmals mit einem Nonett auf, für das er auch Kompositionen geschrieben hat. "Der Abend hat mit gefallen. Dieses Projekt würde ich eigentlich sehr gerne weiterverfolgen."

Pirmin Bossart, Jazz'n'More


15.10.10
Der schwerelose Blues des Saxofonisten Reto Suhner

Zum Ende des Sets sagt Reto Suhner verschmitzt ein Stück an, das mit einem einzigen Wort nur "Blues" heisse. Diese Lakonie passt zu Suhner. Der 1974 in Herisau geborene Saxofonist ist kein Mann grosser Worte. Auch beim Konuzert seines Quartetts East/West am Dienstag im Moodes beschränkt er sich aufs Nötigste: "Adios Machos" heisse diese Stück, ein anderes "Symathisanten", dann eben "Blues". 
Doch der Blues, den Suhner spielt, ist die pure Verblüffung und spottet aller Genreklischees: Verwickelt ist er und voller kühler Intelligenz. Die beiden Saxofonisten - neben Suhner spielt noch der Genfer Saxofonist Nicolas Masson - erinnern mit ihren rasanten Legatolinien an die Musik auf den Alben, die einst Lee Konitz und Warne Marsh gemeinsam aufgenommen haben. Dass Suhner sein Stück nur "BLues" nennt, wo es doch so fordernd ist, ist typisch für ihn: Nur nicht hochstapeln, mag sich dieser Saxofonist gesagt haben, der in der Schweizer Jazzszene als ebenso bescheidener Mensch gilt wie als eindrucksvoller Musiker. 
Im Quartett spielen mit dem Kontrabassisten Patrice Moret und dem Drummer Dejan Terzic starke Rhythmiker - aber die beiden sind an diesem Abend auf sich bezogen, reagieren selten inspiriert auf die Bläser. Etwas farblos wirkt zudem Nicolas Masson. Und so wird das Konzert ganz zum Abend von Reto Suhner. Der spielt sein Altsaxofon in den tiefen Lagen auch mal bauchig, hat Kontrolle über die feinsten Klangschattierungen, modelliert, formt den Ton. Und ans Innerste greift einem sein Spiel, wenn er in die Höhen steigt, der Klang luftig wird und fast oboenartigim Timbre. Bei Suhner treffen sich Leichtigkeit und Sanftheit und Sensibilität. Selbst der Blues wird bei ihm schwerelos.

Christoph Merki, Tages Anzeiger


10.11.09
JAZZ-WOCHENENDE BEI DEN HELMBRECHTSER KULTURWELTEN

Türen aufstoßen für neue Interaktionen

Reto-Suhner-Quartett | Aus ausgeklügelten Grundrissen heraus wagen die vier Schweizer immer wieder risikofreudig Ausflüge ins Unbekannte.

Von Andrea Herdegen


Jeden Abend das Gleiche zu spielen, das ist ihm zu fad. Reto Suhner braucht die Abwechslung, das Neue, das Überraschende. Neugierig lauschend lauert er, die Augen geschlossen, was sich seine famosen Mitmusiker wohl heute einfallen lassen. Dann nickt er erkennend, ein zufriedenes Lächeln huscht über sein Gesicht, er setzt sein Saxofon an die Lippen und antwortet auf die neue Idee.

Das Reto-Suhner-Quartett begeisterte am Jazz-Wochenende-Samstag bei den Helmbrechtser Kulturwelten eine recht überschaubare Schar hochkonzentriert zuhörender Musik-Liebhaber im Textilmuseum. Suhner, mit 35 Jahren bereits einer der herausragenden Jazz-Saxofonisten Europas, ist ein Virtuose der spontanen Interaktion, einer, der sich jeden Abend risikofreudig ins Unbekannte wagt. Mit Lust am Spiel reißt er die ausnotierten Grundrisse seiner nicht selten zwanzigminütigen Stücke auf, verwischt gekonnt die Grenzen zwischen Thema und Improvisation, ohne sich der puren Anarchie des klassischen Free-Jazz auszuliefern. Ebenso überraschend wie er in voller Fahrt vom Melodie-Zug abgesprungen ist, kommt er zurück zur Hauptsache, nur um sich gleich wieder einer seiner blitzschnellen Stimmungsschwankungen hinzugeben.

Fürs Publikum bedeutet dies durchaus einen herausfordernden Hör-Abend. Kaum hat man sich dem Sog in eine hypnotisch-dunkle Lounge-Atmosphäre ausgeliefert, hat sich in die Klänge einer unterkühlt wirkenden Urbanität hineingefühlt, da reißt einen das eruptive Quartett mit einem kurzen Afro-Wirbel aus der Nachdenklichkeit.

Dominik Burkhalter an den Drums lässt den Rhythmus auf und ab wallen, wacht souverän über die fluktuierenden Tempi. Und findet noch Muse, mehrmals mitten im Stück sein Schlagwerk zu wechseln, vom Stick über filigran geflochtene Besenbündel und klappernde Holzperlen bis hin zum schnell ausgetrunkenen Mineralwasserfläschchen, das er lautmalerisch über die Snare-Drum rollt.

Fabian Gisler am Bass fügt dem wogenden Auf und Ab eigene Wellenmuster hinzu, ganz ruhig oft, dann wieder fiebrig schnell. Am Flügel sitzt Lester Menezes, völlig versunken, als wolle er gleich ganz hineinkriechen in sein Instrument, um noch näher bei den schwingenden Saiten zu sein, um noch schneller reagieren zu können. Der aus Bombay stammende Pianist versteht es, die Stücke mit minimalistischen Einsprengseln zu lenken und den anderen die Türen aufzustoßen für neue Interaktionen.

Dann sieht man neben dem stets ernst-vertieften Menezes drei strahlende Mitmusiker, die sich an einer wieder neuen Schattierung ihres kongenialen Viergesprächs berauschen.

Mal aggressiv boppig, mal zart swingend: Die Kompositionen von Suhner und Menezes weigern sich, gängige Grenzen zu akzeptieren. Sie wechseln von dicht groovenden Blue Notes zu kühlen, luftigen Sounds, immer angeführt von Reto Suhners wandlungsfähigem Saxofon-Spiel. Ganz sanft schließt er den Abend, mit einem Hauch, von dem man nicht weiß: Ist das noch ein Ton aus dem Instrument? Oder nur noch der Atem des Künstlers? 


10.11.09
Jazz-Wochenende in Helmbrechts: Das kleine, aber feine Festival zeichnet sich durch Vielfalt aus

(Interview mit Reto Suhner)

F: Sie spielen nun seit zehn Jahren mit dem Reto-Suhner-Quartett. Ist das noch spannend?
A: Absolut. Jeder Abend ist anders und voller Überraschungen. Wir lieben das. Genau das macht doch den Jazz aus: Dass immer etwas Unvorhergesehenes passieren kann – und darf.

F: Die Schweiz ist ein Sammelbecken exzellenter Jazzer. Warum entwickeln gerade die Eidgenossen solche Lust auf diese Art von Musik?
A: Ich weiß es nicht, aber es gibt in der Tat bei uns ein großes Publikum, das sich für Jazz interessiert. Fast in jeder Stadt gibt es einen Club, in dem jeden Abend live gespielt wird. Bei uns in Zürich gibt es drei.

F: Eine dichte Szene...
A: Ja, alles ist ganz eng untereinander verwoben. Da gibt es Pop-Jazzer und Fein-Spieler. Und alles mischt sich immer wieder gut durch.

F: Und im Publikum sitzen lauter Experten?
A: Wir haben schon sehr versierte Zuhörer. Aber die Szene in Deutschland ist auch gut. Berlin zum Beispiel ist cool. 

F: Und Helmbrechts? 
A: Dass die Leute so intensiv bei der Sache sind wie hier, erlebt man selten. Ehrlich. Ich kann auf der Bühne diese Konzentration fühlen. Diese ungeteilte Aufmerksamkeit spornt mich wiederum an. Es hat großen Spaß gemacht, hier zu spielen. Das war die Elf-Stunden-Strapaze im Zug auf jeden Fall wert.

F: Sie sind extra aus Zürich angereist?
A: Ja. Und zwar sehr gerne. 

(Das Gespräch führte Andrea Herdegen, Frankenpost)



10.11.09
Bandbreite | Beim Jazz-Wochenende in Helmbrechts gibt’s Polka ebenso zu hören wie lyrische Songs, Standard-Arrangements und Weltmusik.

Von Lisbeth Kaupenjohann, Frankenpost

Was einst mit Free Jazz begonnen hat, ist inzwischen ein nach allen Seiten hin musikalisch offenes kleines, aber feines Festival in der Reihe „Kulturwelten“. Verantwortlich dafür zeichnet seit 1996 Thomas Friedrich. Er ist mit dem Verlauf des Jazz-Wochenendes 2009 voll zufrieden, und die Besucher sind es offensichtlich auch, jedenfalls sparten sie nicht mit Beifall. Ein paar mehr Gäste hätten es sein können am Freitag und Samstag, aber auch in Bayreuth und Bamberg laufen zur Zeit ähnliche Veranstaltungsreihen. 
Es ist ein besonderer Genuss, in der Clubatmosphäre des Textilmuseums, nur wenige Meter von den Akteuren entfernt, Musik zu erleben, die man sonst nur selten zu hören bekommt. Man sieht den Schweiß auf den Stirnen perlen, und der musikalische Funke springt viel leichter über als in einem großen Saal. 
Vier Konzerte gab’s diesmal, und keines glich dem anderen. Das machte den besonderen Reiz des Minifestivals aus. […]
Am ehesten Modern Jazz im herkömmlichen Stil spielt das Schweizer Reto-Suhner-Quartett. Mit fein ausgearbeiteten, temporeichen Phrasen, aber auch mit leisen, gefühlvollen Passagen überzeugen der Saxophonist Reto Suhner, Pianist Lester Menzes, Kontrabassist Fabian Gisler und Schlagzeuger und Perkussionist Dominik Burkhalter. […]


03.10.09

Am Donnerstag spielte im Rahmen von jazz:now eine weitere, vom Frauenfelder Marc Huber ausgewählte, Band, das Reto Suhner Quartett im Vorstadttheater.

Der Herisauer Saxofonist Reto Suhner, gerade zurück von einer kleinen Deutschland-Tour mit seinem Quartett, versteht es geschickt, zusammen mit seiner Band, selbst die vertracktesten Rhythmen in seinen Kompositionen einfach klingen zu lassen. Davon konnte sich das Frauenfelder Publikum am letzten Donnerstag mehrfach überzeugen. Da war die Rhythm Section mit Fabian Gisler am Bass, in Frauenfeld kein Unbekannter, und Dominik Burkhalter am Schlagzeug, welche ein sicheres, rhythmisches Fundament legte, Bandleader Reto Suhner an Alt- und Sopransaxofon, der den einen oder anderen wilden Ritt über die Akkorde wagte, sowie Pianist Lester Menezes, der zwar eher zurückhaltend agierte, es aber ausgezeichnet verstand, den Solisten viel Raum für ihre Improvisationen zu lassen, gleichzeitig aber auch auf jede noch so kleine Phrase reagierte, die Mitmusiker immer wieder aufs Neue herausforderte. Vor allem in den freieren Teilen der Kompositionen war ein rhythmisches und harmonisches Zusammenspiel zwischen Klavier und Rhythm Section zu hören, das man schlicht als ausgezeichnet bezeichnen kann. 
Faszinierend auch, wie freie Improvisationen in hypnotische Grooves mündeten, oft angeführt von Schlagzeuger Dominik Burkhalter, der es geschickt verstand, seine Mitmusiker durch sämtliche rhythmischen Untiefen zu lenken. Er liess auch einige Elemente aus Drum’n’Bass sowie afro-kubanischer Musik aufblitzen, von welchen sich Reto Suhner in seinen Soli immer wieder mitreissen liess. Seine motivischen, ineinanderfliessenden und technisch herausragenden Improvisationen wurden ihrerseits immer wieder von der Band übernommen. Suhners kühler, luftiger Sound auf dem Altsaxofon liess dann auch gewisse Erinnerungen an den grossen Lee Konitz aufkommen.

Zu den Stärken von Reto Suhner gehören auch die Arrangements seiner Songs, stets spannend und mit unerwarteten Momenten und teils ausgefallenen Titeln wie „Schwäne im Weltall“. Alles ist im Fluss, eine klare Grenze zwischen Thema und Improvisation gibt es nicht, die Dynamikspanne reicht von ganz leise bis ganz laut. Das Publikum goutierte dies dann auch jeweils mit grossem Applaus. 

Wer an diesem Abend im Eisenwerk war, der sah eine äusserst spielfreudige Band, groovend, swingend und frei improvisierend, kurz vier Musiker auf der Höhe ihres Schaffens. Die Musik des Reto Suhner Quartetts kann mit Fug und Recht als zeitgenössischer Jazz at it’s best bezeichnet werden. 

Thugauer Zeitung


30.09.09
Schwäne im Weltall

Das Konzept der Szene-Fürth-Reihe „Bluenotejazz auf Abwegen“ ist nicht nur musikalisch schillernd. Auch die Auswahl der Spielorte verrät einen Sinn der Macher fürs Besondere. Da der Club Blue Note in der Gustavstrasse momentan nicht zur Verfügung steht, führt die Wanderschaft zu Konzertplätzen wie jetzt am Dienstag zur Kellerbühne des Babylon-Kinos.

Hier konnte man mit dem Reto Suhner Quartett aus der Schweiz ambitionierten Modern Jazz hören und sich dabei über einen Paradigmenwechsel Gedanekn machen. Der Stil von Saxophonist Reto Suhner und seinen Begleitern –Lester Menezes am Klavier, Fabian Gisler am Kontrabass und Dominik Burkhalter am Schlagzeug- wäre noch vor wenigen Jahren in die „Freejazz“-Schublade gesteckt worden. Darin hat er allerdings nicht allzu viel zu suchen, denn es gibt zwar Anklänge an die anarchische Spielart der zeitgenössischen Jazzmusik. Aber die sind, wie so vieles bei Suhner, lediglich als Zitat gemeint.
Dieses Quartett zapft die verschiedensten Inspirationsquellen an und mischt daraus urbane Lounge-Cocktals mit eindeutiger Geschmacksrichtung. Reto Suhners dichte Soli erinnern an die Grossen des Tenors- und Sopransaxophons, ohne Nachspiel-Tendenzen zu zeigen. Eher spiegeln sich die Vorbilder in gewissen Floskeln, in macher Tongebung, in bestimmten Phrasierungsdetails wider –makrokosmische Huldigungen, die sich nur dem erschliessen, der zwischen den Notenzeilen zu lesen versteht.
Pianomann Lester Menezes hat ebenfalls Ikonen, die bisweilen schemehaft unter der Oberfläche von dichten Nummern wie „Schwäne im Weltall“ sicht- beziehungsweise hörbar werden. So erinnert manches lakonisch hingetupfte Intro an den verstorbenen Stilbildner Esbjörn Svensson und dessen Porjekt E.S.T.
Die Nähe zur Neuen Musik, zu einem auskomponierten Form-Ideal wird deutlich, gerade weil Suhner und Co. Nicht alles ausnotiert haben, sondern sich auf eine der Grundideen des Jazz, die Improvisation, besonnen haben.
Die Unvorhersehbarkeit und der konsequente Verzicht auf das Erfüllen von Jazz-Konventionen erzeugen einen beinahe hypnotischen Sog. Das Reto Suhner Quartett krault mit seiner Musik die Gehirnwindungen, zwingt zum Mitdenken und erzeugt gleichtzeitig tranceartige Versenkungszustände.

Hand von Draminski, Fürther Nachrichten


24.09.09
Thirty-three year-old Switzerland native and saxophonist Reto Suhner has spent time as a student of New York-based jazz artists like Dick Oatts, Billy Drewes and Rich Perry. Suhner has performed with the Zurich Jazz Orchestra, Herbie Kopfs U.F.O., the Adrian Frey Septet, forward-thinking jazz trumpeter Markus Stockhausen and the Swiss Jazz Orchestra, among others. Suhner’s quartet includes Bombay-born and originally classically-trained pianist Lester Mendez. A graduate of the Trinity College of Music in London and the Berklee College of Music in Boston, he currently teaches jazz at the Music Academy in Basel. Bassist Fabian Gisler studied at the Jazz Swiss in Bern and has performed with jazz luminaries including with Kurt Rosenwinkel, Garry Smulyan and Philip Catherine. Zurich-born drummer Dominik Burkhalter studied at the Jazz School in Lucerne and has performed with Billy Cobham, Christy Doran’s New Bag and Dana Briant, among others.

While young jazz musicians in the United States spend an inordinate amount of time involved in learning jazz patterns and prescribed methods of soloing, many of the truly creative and communicative musicians, the essence of what jazz should be, are today coming from Europe. Their love of the spirit of ensemble interplay, as perhaps best defined in the work of saxophonist Evan Parker, can be found thriving in Suhner’s ensemble. The best way to describe this group is to think of them as four musicians who are all highly involved and intrinsically motivated to create music that moves of its own and by its own standards. The result is music that is truly both free and linked to the chordal harmonic tradition of artists like Bird, Coltrane, Sonny Rollins and Wayne Shorter. Their shared single minded “group think” concept plays out brilliantly throughout the concert.


This live recording, from a 2008 concert in Schaffhausen, Switzerland, opens with one of Suhner’s compositions, “Roon/Schhaene Ih Heltall.” Throughout the almost 17 minute presentation tempos fluctuate, rhythmic motives wave and rebound around the group, each member takes their own turn in lead, and accompaniment roles shift colors and dance with subtle joy. After a hauntingly beautiful piano introduction by Menezes the ensemble enters with a minimalistic repeated note foray that slowly morphs into a style reminiscent of Eric Dolphy’s early ballad work. Suhner’s sax not only imparts a stark and open landscape, but also touches on a few extended saxophone techniques that brilliantly balance the starkness of the ensemble’s opening passage. From there on each member adds to the fire their own reflexive motivic touches picked up through group interplay. Dynamic extremes are both gradually arrived at and dispersed, with lightness of being the central focus.

“The Fourth Uneasy Piece,” a Lester Menezes composition, opens similarly but this time with an unaccompanied bass solo. So delicate is Menezes’ touch you almost don’t notice he’s entered the piece’s space until well into Suhner’s freely slow cadenza that is so captivatingly accompanied by both Menezes and Gisler one cannot truly index where one musician begins and another ends. Freely and eventually, upon the entrance of Burkhalter, the ensemble turns their sound around and Menezes becomes the dominant voice with the other musicians following his lead. The intricateness and swift beauty of this ensemble’s timbral palette, along with their ablility to change the direction of their compositions and free-jazz mind speak on a dime, is almost beyond belief.

The rest of the recording is similarly brilliant, stunning and yet understated and unobtrusive all at once; the band even takes a turn melding Monk’s and Steve Lacy’s world in Menezes’ composition “CS.” Would that more American musicians focused on line, texture and shades of musical dialogue like these four, jazz might have a vaulted position in American culture.

Jazzreview, Thomas R.Erdmann



20.07.09
Jeune saxophoniste originaire de Suisse alémanique et promis à l’excellence, Reto Suhner s’est déjà taillé une belle réputation de l’autre côté des Alpes. Il est encore peu visible chez nous, mais on espère que son quartet sera bientôt reconnu à sa juste valeur. Cet album public enregistré par la radio suisse DRS2 au festival de Schaffhausen en 2006 — le quatrième enregistrement de Reto Suhner pour le label Altrisuoni — est une belle démontration des qualités du quartet, tant vantées par la presse.

Les compositions sont toutes signées de Reto Suhner et de son pianiste, Lester Menezes. On pourrait presque dire que le groupe a deux leaders tant ils développent ensemble les thèmes et leurs ramifications harmoniques complexes. C’est le pianiste qui ouvre en solo le premier titre, « Schwäne im Weltall », par des accords amples et des arpèges impressionnistes. Le style ici fait la part belle aux glissements, aux lentes progressions harmoniques, à la patiente transformation de la musique : c’est à peine si on peut parler d’exposition du thème par le saxophone - quatre notes rauques répétées qui constituent le pic d’intensité du morceau. Ainsi fonctionne le quartet de Reto Suhner : en décrivant des cercles concentriques mi-écrits, mi-improvisés afin d’approcher le point nodal en intensifiant peu à peu le jeu collectif, en transformant un calme impressionniste en tempête expressive.

Ce goût du glissement progressif, le quartet l’affirme encore via des transitions naturelles entre les titres. Les quatre premiers s’enchaînent, tantôt à la faveur d’un solo de contrebasse, tantôt pendant quelques passes de batterie. Le dernier morceau — exceptionnel « Urs Has Plans », isolé des autres —, n’en ressort que plus nettement avec ses longues phrases de saxophone tissées dans les arpèges du piano qui, pour être discret, il n’est pas moins le pilier secret de la formation. Anecdote révélatrice mentionnée par le dossier de presse : à la fin de la pièce les spectateurs se retiennent d’applaudir pendant un bref moment. Puis, sortant de leur hébétude, ils acclament bruyamment les musiciens, dont le visage exprime une joie intense. Sur le disque, on n’entend que ces vivats enthousiastes, mais l’auditeur sourit de joie lui aussi en songeant que ces salves sont décidément méritées. Elles expriment tout le bien qu’il faut penser de ce disque. Un grand bravo, donc !

Mathias Kusnierz, Citizen Jazz


15.05.09
Das Quartett des Zürcher Saxophonisten Reto Suhner besteht aus Pianist Lester Menezes, Bassist Fabian Gisler und Schlagzeuger Dominik Burkhalter. Der Mitschnitt vom Schaffhauser Jazzfestival aus dem Vorjahr präsentiert das Quartett von einer eingängigen Seite, wofür vor allem das harmonisch ausgeglichene Spiel von Lester Menezes verantwortlich ist. Als interessant erweisen sich aber gerade auch jene Passsagen, in denen der Saxophonist mit tatkräftiger Unterstützung des äußerst dynamisch auftretenden Einpeitschers Burkhalter etwas schärfere Töne anklingen lässt. Insofern entsprechen die vier Musiker voll und ganz ihrer Vorgabe, mit Elementen von Spannung und Entspannung zu jonglieren. Ein ausgewogenes Live-Dokument einer eingespielten Formation, die ihren Gruppenzauber hoffentlich bald auch im Aufnahmestudio entfaltet. 

gan, Jazzzeit


04.05.09
Am zweiten Abend bewies der Saxofonist Reto Suhner mit seinem Quartett, dass die im letzten Jahr aufgenommene CD "Live in Schaffhausen" nicht die Dokumentation einer einmaligen Sternstunde ist, sondern "nur" ein Ausschnitt aus einem durch extreme Risikofreude und instrumentale Brillanz geprägten Schaffensprozess. Wie der Sax-Sound-Alchemist Suhner, der Pianist Lester Menezes, der Superzupfer Fabian Gisler am Kontrabass und Schlagzeuger Dominik Burkhalter lange Spannungsbögen mit blitzschnellen Stimmungsumschwüngen kombinieren, grenzt an telepathische Magie.

Tom Gsteiger, Mittelland Zeitung



01.09.08
Das Reto-Suhner-Quartett eröffnete im Alten Zeughaus den Reigen der Veranstaltungen. Mit Béatrice Graf anstelle von Dominik Burkhalter am Schlagzeug spielte es ein faszinierendes Set mit zwei brandneuen Kompositionen. Jazzkonzerte mit so viel (Selbst-)Verständnis für Rhythmen und Harmonien sind in der Region eine absolute Seltenheit. Dass es dabei Modern Jazz ist, darf als günstige Fügung verstanden werden; was vor allem Reto Suhner selbst und sein kongenialer Pianist Lester Menezes daraus machen, ist messerscharf und gleichzeitig zutiefst gefühlvoll.

Christian Koeppel, Appenzeller Zeitung


08.07.08
Offen für Überraschungen? Dann liegen Sie mit Reto Suhner goldrichtig: Der Auftritt seines Quartetts am Schaffhauser Jazzfestival überzeugt von A bis Z und sorgt für ein spannendes Hörerlebnis. Die Art und Weise, wie sich die vier Musiker an die Suhner- und Menezes-Kompositionen machen, zeugt von ihrem tiefgründigen Verständnis des Jazz. Sie scheuen sich nicht vor unbekanntem Territorium, nehmen musikalische Chancen wahr, interagieren sensibel und spontan aufeinander, sprengen Muster, ohne sie zu zerstören. Und das Wichtigste: Ihre Musik behält dabei einen natürlichen, frischen Charakter, der das Zuhören so spannend macht. Auf „Schwäne im Weltall“ lösen sich Pianist Menezes und Suhner ab in der Führung der Truppe. Aber das Quartett braucht keinen Führer, da die Mitglieder ganz von alleine ein harmonisches Ganzes zu formen scheinen. Eine hörerfreundliche Platte, die einige der Topmusiker der Schweizer Jazzszene in ihrem Schaffen porträtiert.

Phil Stöckli, Jazz'n'More



31.01.08
"Der Klangzerstäuber"-- Mit seiner neueste Einspielung "äbä" arriviert Reto Suhner zu einem der spannendsten Altsaxophonisten weit und breit.. Reto Suhner sagt:"Ich will nicht berühmt werden, sondern weiterkommen, um meine Ideen besser ausdrücken zu können". Man glaubt es ihm aufs Wort. Der Jazzmusiker mit Jahrgang 1974, die im Appenzell aufwuchs und heute in Zürich lebt, ist das Gegenteil eines Blenders - mit beeindruckender Beharrlichkeit hat er sich in den letzten Jahren zu einem der interessantesten Altsaxophonisten weit und breit entwickelt. Seit Beginn des neuen Milleniums hat Suhner mit seinem Quartett drei Alben veröffentlicht. Den Erstling "Born in Herisau" bezeichnet Suhner heute selber als Jazzschul-CD. Damals lautete die Devise wohl: Nur ja nichts falsch machen. Inzwischen ist das Vertrauen unter den Musikern enorm gewachsen und der Umgang mit dem Material ist dementsprechend offener und risikoreicher geworden - das hört man dem jüngsten Opus beinahe jede Sekunde an: "Äbä" bringt hochgradig kommunikativen Modern Jazz mit einem breiten Spektrum an Emotionen zu Gehör. Suhner, der sich eigentlich gar nicht als Leader fühlt, hält fest:"Gewisse Stücke spielen wir immer wieder anders. Die Hingabe an den Moment führt zu grosser Lebendigkeit". Das Repertoire stammt etwa je zur Hälfte von Suhner und vom Pianisten Lester Menezes, über dessen Begleitkünste der Saxophonist schwärmt:"Ich kann irgendeine Note spielen und sie wird gut klingen, weil er genau das Richtige macht." Dazu kommt eine traumwandlerische sichere Groove-Crew mit Fabian Gisler (Bass) und Dominik Burkhalter (Drums). Letzterer hält sich zurzeit in New York auf, an seiner Stelle wird in Bern Béatrice Graf trommeln. Suhners eigener Aufenthalt in New York liegt bereits einige Jahre zurück. Er habe dort sein Selbstvertrauen gestärkt, sagt er. Die Lebenssituation gewisser Musiker empfand er allerdings als deprimierend. In New York nahm Suhner u.a. Stunden bei Dick Oatts und Billy Drewes:Mit diesen "musicians' musician" teilt er ein Interesse an Sounds, die von der Norm abweichen, und an einer fliessenden Phrasierung. Tatsächlich hat man bei Suhner das Gefühl, er verfüge über die Gabe, die Töne in kleinste Partikel zu zerstäuben und aus diesen irisierende Klangfarben zu mischen. Und was macht Suhner, der zwei Tage pro Woche als Musiklehrer arbeitet und als Sideman in mehreren Big Bands aktiv ist, wenn er das Saxophon aus der Hand legt? Zur Ruhe findet er durch Tai Chi: "Und ich lese gerne, das bereichert meine Phantasie und ich nehme mein Innenleben mehr wahr. Zurzeit ist Dostojewski an der Reihe."

Tom Gsteiger, Der Bund


08.01.08
Ein Spiel! Ein Spiel! Die neueste und dritte CD "Äbä" vom Reto Suhner Quartet zeigt das Schaffen und die Entwicklung einer demokratischen Band die sich stets weiterentwickelt. Sie baut eine Spannung vom ersten bis zu letzten Ton auf, die seine Hörer in ihren Bann zieht und nicht mehr loslässt.

Jazztime


16.10.07
Good saxophone players, really good ones, are hard to come by. When you hear one, you know it, and you know it in about ten seconds. Reto Suhner is such a saxophone player. I first became aware of him about three years ago when his quartet ‘ s CD, “Montag”, came to me (reviewed in the Sept/Oct 2004 “Saxophone Journal”). His sound, then and now, is completely unique; dark, rich, almost one dimensional without being lifeless or colorless. Truly the possessor of a sound and style all his own, this native of Switzerland is just 33 years old. While spending the majority of his time in Europe, Suhner has been to New York long enough to study with saxophonists Dick Oats, Billy Drewes and Rich Perry, as well as attend workshops with Jerry Bergonzi, Ed Neumeister and others.
On this CD Suhner plays soprano, alto and tenor saxophones and is aided by Lester Menezes (piano), Fabian Gisler (bass), and Dominik Burkhalter (drums). Additionally, Andy Tschopp and Simon Scheiwiller are added on trombone and horn respectively on three tracks. The original music was written by Suhner and Menezes, and while it has structure, does not fit into any standard song form. The melody, on “Urs Has Plans” by Menezes is played very freely by alto, piano and bass, and is followed by a kind of group improvisation over a pedal point. All the voices weave in and out to make what amounts to a beautiful improvised counterpoint. The title tune by Suhner is a straight eighth Latin groove, with a sparse melody employing the additional horns voiced very much like Herbie Hancock ‘ s “Speak Like A Child”. Again, the improvisation is presented as a group, with all participants entering and leaving at will. The band members are obviously really listening to one another, because at no time does the music sound chaotic.
Suhner ‘ s playing of all three saxophones is of the highest calibre, but for me his real voice is the alto, with soprano a close second. Listen to him play “Schwane im Weltall”, the alto quietly wails and cries at once, he even growls to make his point. “The Fourth Uneasy Piece”, rife with attitude and personality is showcase for his soprano voice. Suhner ‘ s playing is superb on many levels, not the least of which is his capacity to make every note a thing of beauty.

Saxophone Journal (USA)


01.10.07
Every Note A Thing Of Beauty

Good saxophone players, really good ones, are hard to come by. When you hear one, you know it, and you know it in about ten seconds. Reto Suhner is such a saxophone player. I first became aware of him about three years ago when his quartet's CD "Montag" came out (reviewed in the Sept/Oct 2004 Saxophone Journal). His sound, then and now is completely unique; dark, rich, almost one dimensional with out being liveless or colorless. Truly the possessor of a sound and style all his own, this native of Switzerland ist just 33 years old. On this CD Suhner plays soprano, alto and tenor saxophones and is aided by Lester Menezes (piano), Fabian Gisler (bass) and Dominik Burkhalter (drums). Suhner's playing of all the three saxophones is of the highest caliber, but for me his real voice is the alto, with soprano a close second. Listen to "Schwäne im Weltall", the alto quietly wails and cries at once, he even growls to make his point. "The Fourth Uneasy Piece", rife with attitude and personality is a showcase for his soprano voice. Suhner's playing is superb on many leveles, not the least of wich is his capacity to make every note a thing of beauty.

Bill Kerr, Saxophone Jounral (USA)


24.05.07
..Geradezu "geschliffen", wenn auch nur vordergründig, klingt dagegen "Äbä", das dritte Album von Reto Suhner. Der 33-jährige Bläser aus Herisau hat sich- obwohl seit längerem in Zürich lebend- den eigenwilligen Schalk des Appenzellers bewahrt. Auch ist er Hochschulabsolvent im klassischen und swingenden Fach, hat seine Sprache aber vor allem in unzähligen Workshops und Privatlektionen unter anederm in New York gefunden. Zudem zählt Suhner zu den derzeit fleissigsten Band- und StudiomusikerInnen; seine Diskographie ist überwältigend und lässt den Verdacht aufkommen, dass er keine Gelegeheit auslässt, dazuzulernen. Obwohl auf Klarinette und Flöte mindestens so agil, nimmt Suhner auf "Äbä" seine drei Saxofone (Tenor,Alto,Sopran) zur Hand, um sich mit Pianist Lester Menezes, Bassist Fabian Gisler und Drummer Dominik Burkhalter zu unterhalten. Gemeinsam mit Menezes, seinem Lehrer und langjähriger Partner, hat Suhner elf Tracks geschrieben, die sich zu einer hochdynamischen Suite ergänzen. Mal zart swingend, mal eindringlich boppig, dann wieder verträumt volksmusikalisch, lässt sich Suhners Kammerjazz als eine besondere Art von Wohlfühlmusik umschreiben. Der Zugang ist nicht immer einfach, wer sich aber vorwagt in die Klangwelt dieses Quartetts, wird sich gerne darin räkeln.

Frank von Niederhaeusern, WoZ 


31.01.07
Kurzbesprechungen von Jazz-CDs 

Mit «Montag» (Altri Suoni) legt Reto Suhner ein geschmackvolles und inspiriertes Postbop-Album vor, auf dem glücklicherweise nichts von alltäglicher Routine zu spüren ist. Suhners Spiel auf Alt- und Sopransaxofon oszilliert zwischen süsser Schärfe und scharfer Süsse und zeichnet sich durch ein hohes Mass an linearer Logik aus – eine sehr warme klangliche Komponente kommt durch den Einsatz der Altklarinette hinzu. Begleitet wird Suhner von Musikern, die für sehr viel Punch und Power sorgen, aber auch wissen, wann sie sich zurücknehmen müssen: Lester Menezes (Piano), Fabian Gisler (Bass) und Dominik Burkhalter (Schlagzeug). Das in drei längere Suiten und in eine Einzelnummer aufgeteilte Repertoire besteht zur Hauptsache aus Kompositionen von Suhner und Menezes, dazu kommen spontan konzipierte Einleitungen bzw. Übergänge. Eine reife Leistung.

Pickpickpick


15.05.06
Statements

...den Abschluss des Abends machte Reto Suhner, der famose Ostschweizer Saxofonist. Suhners Spiel, das fällt auf, wird immer essentieller. Er lässt weg, spielt immer weniger, sucht die konzise Aussage, kein Geschwätz, sondern Statements...

Beat Blaser, Aargauer Zeitung


12.05.06
Fabelhaftes Interplay

...Das Reto Suhner Quartett bediente sich keinerlei elektronischer Hilfsmittel - es bot von der kraftvoll-lyrischen Eröffnung bis zum lyrisch-kraftvollen Schluss eine ebenfalls makellose Darbietung. Allerdings völlig anderer Art. Die einzelnen Stücke waren suitenartig verbunden. Dank der agilen Dynamik riss der Spannungsbogen nie ab, sondern wurde im Gegenteil immer wieder neu aufgebaut und ausgeweitet. Hervorzuheben Fabian Gisler am Bass, ganz stark, und der äusserst gefühlvolle Pianist Lester Menezes. Kreuz und quer fabelhaftes Interplay, Reto Suhner auf Alt- und Sopransaxofon ein souveräner Primus inter pares. Das Publikum war so gebannt, dass es zunächst sogar den Szenenapplaus vergass- als es dann doch klatschte waren Überraschung und Freude auf den Gesichtern der Musiker gleich.

Alfred Wüger, Schaffhauser Nachrichten


17.06.05
Montage haben ihren Ruf. Da werden Autos gebaut, die nichts taugen; manch einer macht blau, den ersten Arbeitstag verdunkelt die Erinnerung an das freie Wochenende. Dunkel ist auch das Regenwölkchen, das auf dem Cover von Reto Suhners "Montag" sich genau über dem Musiker entlädt...

Was es mit Reto Suhners persönlichem Montagskleinstklima auf sich hat, verrät auch der Blick ins Booklet nicht. Soviel steht fest: Ein Montagsauto ist "Montag" nicht. Im Gegenteil: Reto Suhner (as, ss, acl) und seine Kollegen – Lester Menezes am Piano, Fabian Gisler am Bass, Dominik Burkhalter am Schlagzeug – weben ein vielfarbiges und irritierendes Programm aus Stücken zwischen, außerhalb Mainstream und Postbop, die einem zugleich vertraut und fremd erscheinen.

Offensichtlich haben sich die Musiker viel in der Jazz-Geschichte umgehört – und schaffen es dennoch, mit Harmonie- und Rhythmuswechseln und der Kombination der Stücke zu überraschen. Keiner der Solisten neigt zu Effekten auf eigene Kosten; die spielerische Leichtigkeit des Zusammenspiels ist deutlich. 

Vor allem Lester Menezes ist ein kongenialer musikalischer Partner, um Einfälle nicht verlegen. Vier der Kompositionen sind aus seiner Feder, die anderen stammen von Reto Suhner. Wenn das Montagsmusik ist, wie mag erst die für Dienstag bis Sonntag klingen?

Thomas Götzelt, Jazzdimensions


10.02.05
Dramatik und Verfremdung 

Muss die Band immer gleich weg über den Boden, fliehend durch die Form wie die Sekunden durch die Zeit? Warum geht's nicht bald langsamer, bald schneller wie im richtigen Leben? Und warum halten die Musiker nicht einfach einmal inne, eine Atempause lang? - Sitzt die Ignoranz im Jazzklub, versucht sie mit solchem Geschwätz in den Jazzfan zu dringen, der die Füsse federn lässt zum Swing. dumme Fragen freilich gibt est nicht. Und tatsächlich versuchen Musiker immer wieder, das rhythmische und formale Korsett der Jazztradition auszuweiten, aufzureissen.

Das Quartett des 30-jährigen Appenzeller Alt- und Sopranosaxophonisten Reto Suhner beispielsweise, das am Dienstagabend im Moods auftrat, spielte als Zugabe "The Song Is You". Statt aber die bekannte melodie wie üblich über einen 'walking bass' zu setzen, fügte man sie in einen leichten binären Groove, der im Schlagzeug durch Anklänge an New Orleans timbriert wurde. Die Verfremdung rüttelte and der Selbstverständlichkeit; wo man ein Rendez-vous mit längst Vertraumtem erwartet hätte, wurde man durch diesen produktiven Stilbruch überrascht. Dass sie Ansprüche stellen wollen an das eigene Spiel wie an die Aufmerksamkeit der Zuhörer, zeigten die Musiker aber gleich von Beginn weg. Fabian Gisler stimmte seinen Bass, Dominik Burkhalter spannte die Felle, und Lester Menezes drückte - versuchsweise, so schien es - einige Akkorde. Und plötzlich bündelten sich Klänge und Geräusch bereits zu einer fixen Struktur. Erst nach einer längeren Passage, in der sich sie Spannung in schwankendem Rubato aufbaute, mündete das Stück in einen festen Rhythmus.

Suhners Musik klingt nicht selbstverständlich, vielmehr sind die einzelnen Motive, Grooves, Klangfarben an ein sozusagen erzählerisches oder dramatisches Arrangement gebunden. das Spiel der vier Kollegen weid dabei durch Verstand bestimmt - Traparenz und Dynamik des Bandklangs ist ihnen trotz virtuosem Können wichtiger als solistische Kür. Immer wieder verzahnen sich die einzelnen Stimmen; die musikalischen Aktionen sind gut aufeinander abgestimmt. Präzis und pointiert ist die sparsame Bassbegleitung von Gisler, der sehr viel dafür tut, dass die komplexen Formen übersichtlich bleiben. Sehr luzide auch das Spiel der Kollegen, selbst Shuner hält sich improvisatorisch an kurze Statemens. Ausgehend von klaren Motiven, formulierte er mit warmem, kräftigem Sound prägnante Sätze.

Reife und Kontrolle allerdings haben auch ihren Preis. Dem Konzert mangelte es etwas an draufgängerischer Euphorie, an emotionalen Extremen. die Musik klang stets schön, sie riss aber nicht immer mit. Was inspiriert ist, kann eben nicht immer auch begeistern.

Ueli Bernays, NZZ


20.12.04
Ausgebildet an der Jazz-Berufsschule der Klubschule Migros St. Gallen, sind mit dem Saxofonisten Reto Suhner und dem Trompeter Michael Neff Ende des 20. Jahrhunderts gleich zwei Appenzeller Musiker auf der Schweizer Jazzszene erschienen. Und beide mit einiger Wirkung und Ausstrahlung. Fast schon programmatisch - oder ironisierend? - nennt Saxofonist Reto Suhner sein Debütalbum «Born in Herisau». Zu hören ist bester, wenn auch wenig Neues wagender moderner Jazz. International ist die Besetzung mit dem indischen Pianisten Lester Menezes, dem amerikanischen Bassisten Tim Lekan und dem Schweizer Drummer Dominik Burkhalter. Viel freier, gewagter, experimenteller und verzahnter spielt Suhner mit Menezes, Burkhalter und Fabian Gisler am Bass auf seinem zweiten Album «Montag», das ein kleines Meisterwerk geworden ist. Im Vergleich dazu wirkt der Innerrhoder Trompeter Michael Neff bisher konservativer. Er spielt mit seinem Quintett, dem auch Reto Suhner angehört, auf «Live in Concert» brillanten und drivenden Hardbop. Unüberhörbar ist: Es handelt sich hier weitgehend um Retro-Musik. Leider ist sein «Gang rüef de Bruune» keine wirkliche Auseinandersetzung mit traditioneller Musik, sie bleibt ihm nur Vorlage. Ein Genuss sind das Zusammenspiel der Band und die Soli von Suhner, Lukas Landis (Drums), Ralph Hufenus (Bass) und Markus Bischof (Piano). Von Bischof, der in Niederteufen wohnt, und seinem stark ECM-geprägten Spiel wäre längst ein eigenes Album fällig. Neff ist zudem mit eindrücklichen Soli auf «Return to Venus» der Gruppe Spunk! zu hören. Den inhaltlichen Vorbehalten zum Trotz bleibt Neff ein interessanter Musiker, auf dessen Weiterentwicklung die Jazzliebhaber gespannt sein dürfen. Ebenfalls Appenzeller Wurzeln hat die ausgezeichnete Sängerin Gabriela Krapf/Lobith, die mit «Five Feet Underground» ein leichtfüssiges und elegantes Album zwischen Jazz, Rock und Latin vorgelegt hat. 

St.Galler Tagblatt


10.11.04
Appenzeller Jazzer Muss in Herisau, Appenzell, beginnen, was in der Jazzwelt später soll blühen? Reto Suhner heisst der junge Schweizer Sopran- und Altsaxophonist, der das bisschen Öffentlichkeit in den vorliegenden Zeilen schon längst verdient hätte. Seine erste CD vor ein paar Jahren nannte der Appenzeller augenzwinkernd ""born in herisau"". Nichts von Hinterwäldlertum aber war da zu vernehmen, vielmehr kreativer, erfrischender Post-Bopjazz. Ein vorwärts drängender Stilist, bei dem diverse Amerkaaufenthalte Spuren hinterlassen haben: Nie spielt Suhner bieder, er riskiert viel. Auch auf seinem zweiten Album, ""Montag"", glänzt er nun. Etwas von der Offenheit der Miles Davis Group der Sechzigerjahre kennzeichnet sein Quartett (Lester Menezes, Piano; Fabian Gisler, Bass; Dominik Burkhalter, Drums). Was nur einen Schluss zulässt: Hersiau, das ist die Welt." 

Christoph Merki, Tages Anzeiger


23.10.04
Quintet suisse qui s'inscrit dans un système coopératif, où le leader ne manque pas de nous surprendre par ses fluctuations et mouvements divers au saxophone. Ses collaborateurs sont: Lester Menezes (p), Fabian Gisler (cb)et Dominik Burkhalter (dr), ne manquent pas de plonger eux aussi dans le sens du jeu collectof, en émettant aussi leurs virtuosités personelles, le tout entrecoupé d'un thème répétitif, "Comment", très méditatif où chacun livre son solo. Cela après un passage au délire sonore approprié. On termine par le titre où l'expérience de cet ensemble se trouve totalement démontrée, comme sa vision de la musique, assez déstructurée. 

Jazz Notes


28.05.04
Vorbidliches Konzept, hervorragende Interpreten, Teamspirit und bereits jetzt die Entdeckung des Jahres: Alt-Sopransaxofonist Reto Suhner. Ein sehr sensibler Musiker mit feinstem Gehör, absolutem Verständnis für die Umsetzung des Jazzidioms, Sinn für Dosierung und Timing sowie Talent zur Komposition. All das manifestiert sich organisch, packend und überzeugend auf dieser "Montags-CD" (aber, aber?). Die übrigen Mitglieder dieses feinen Quartetts liefern den passenden Rahmen zum Geschehen: Pianist Menezes, ein spannender Klangmaler, Bassist Gisler, ein hochkarätiger Anchorman, und Drummer Burkhalter, verständiger und geschmackvoller Perkussionexperte - die Realisation einer viel versprechenden "working band". Klig aufgebautes Repertoire, viel Raum für alle, insbesondere für den Leader - und der hat das Beste draus gemacht. "Montag" ist eines der bemerkenswertesten Alben schweizerischer Provenienz der letzten Jahre: Kaufen! 

Kurt S. Weil, Jazz'n More


23.04.04
Wer denkt, beim zweiten Album des Quartetts handle es sich um eine musikalische Katerstimmung nach dem Wochenende, der irrt. «Montag» ist eine Jazz-Scheibe, die es wert ist, an jedem Tag der Woche gehört zu werden. Der Saxophonist und Klarinettist aus dem Appenzellerland präsentiert elf neue eigene Kompositionen, deren Melodien und Rhythmen den grossen Einfallsreichtum Reto Suhners belegen. Dabei wirkt die Musik nie eklektisch, nie gefällig oder beliebig, obwohl sie einen gewissen «Duft der weiten Welt» ausströmt. Suhners «Dream-Team» schliesslich ist es, das die Musik so zum Schwingen bringt, dass man sich gebannt von Track zu Track hört. Fabian Gislers wunderbar warmer und sicherer Bass, Dominik Burkhalters entspanntes Schlagzeugspiel, der Tastenmagier Lester Menezes, aus dessen Hand vier weitere Stücke auf «Montag» stammen und natürlich Reto Suhners brillantes, präsentes, aber nie aufdringliches Atemspiel auf seinen drei Instrumenten – diese Mischung macht aus «Montag» etwas ganz und gar nicht Alltägliches. 

Antonio Russo, Swissdisc



28.10.02
Herisau, Svizzera: il luogo in cui è nato Reto Suhner: da cui il titolo del disco. Sassofonista sensibile e sicuro, Sunher riunisce qui un quartetto equilibrato e affiatato. I musicisti si lasciano trasportare dalle proprie affascinanti creazioni, cavalcando senza eccessi l'onda melodica di struggenti ballads ("Everytime We Say Okay", "Ballad #2", "History"), e inseguendo armonie essenziali (ad esempio nella rapida "I Didn't Make It to Harmony IV", in stile "Caravan", o in "On Dominant", "Proud"). 

L'atmosfera onirica e suggestiva con cui il CD si apre (con un pezzo di Gershwin, "I Loves You Porgy") pervade poi l'intero album. Decisamente interessanti i percorsi tracciati sulla tastiera da Lester Menezes, pianista indiano già insegnante di Suhner alla Jazzschool St.Gallen. Piacevolmente ritmata la riedizione di uno standard storico, "Wednesday", in cui tra l'altro il batterista Dominik Burkhalter ci regala un'entusiasmante esibizione. 

Attenzione: un po' come "Ballads" di John Coltrane, può provocare assuefazione. 

Laura D'Incà, Allaboutjazz


30.04.02
Splendida conclusione, l’altra sera al Ristorante “La Meridiana” di Balerna, dello Swiss Actual Jazz Festival “A qualcuno piace…Jazz”, impeccabilmente organizzato dalla casa discografica ticinese “Altri Suoni”. 
Due i protagonisti emergenti, al loro debutto discografico, il “Reto Suhner Quartet” e le “Four Roses” che hanno dato un ampio saggio di quanta vitalità goda oggi la musica afroamericana in Europa. 
Il sassofonista Reto Suhner, formatosi musicalmente negli Usa, possiede una possente sonorità. Incanta per il sound particolare, giocato sulla dinamicità e sui colori. Si avvale della collaborazione di eminenti musicisti quali Lester Menezes (piano), Christian Weber (contrabbasso) e Daniel Disler (batteria). Il quartetto ha messo in evidenza un’invidiabile freschezza inventiva e una continua tensione emotiva, frutto di sorprendenti e innovativi nuclei tematici. 
Altrettanto positiva la prestazione delle “Four Roses”, un ensemble tutto al femminile, dotato di una verve eccezionale. Anima del gruppo, e valida compositrice, è la batterista Béatrice Graf, dotata di uno spiccato senso ritmico nonché di delicate sonorità. Straordinaria la pianista newyorkese Florence Melnotte sia per il prezioso talento armonico che per la spigliata fantasia solistica. Buone qualità espressive ha messo in luce la cantante Florence Chitacumbi. Fondamentale il supporto ritmico-armonico della contrabbassista Karoline Höfler. Quattro splendide rose. 

Alberto Cima, La Provincia


23.04.02
Reto SUHNER, saxophoniste de 28 ans, a réunit autour de lui, pour former ce quartet, 3 autres jeunes musiciens tout aussi prometteurs, le pianiste indien Lester Menezes, le contrebassiste américain Tim Lekan et le batteur suisse Dominik Burkhalter. 

Un large espace est réservé au saxophoniste. Il en résulte une section rythmique un peu discrète mais d'une précision et d'une clarté toutefois remarquable, permettant au soliste de prendre toute son envergure. 
Les compositions de Reto SUHNER constituent l'essentiel du disque. Elles se caractérisent par une générosité mélodique à la fois mélancolique et enjoué. 

Ce qui guide le jeu de ces musiciens : une tension qui ne fléchît jamais, un swing délicat et respirant et le goût de l'équilibre et de la justesse. 
Ainsi, le quartet de Reto SUHNER nous propose une musique sereine et intense dont on se laisse envahir délicieusement.

Géraldine Martin, Jazzbreak


14.05.01
Moderner Jazz kennt keine Grenzen
Wie in der Reihe jazz:now üblich, tritt der Kurator auch mit einem eigenen Projekt auf. Am Donnerstagabend war das Reto Suhner. Mit dabei hatte er sein stark verjüngtes Quartett, das Komponiertes mit Offenem geschickt kombinierte.
DOMINIK GARBAUER, Thurgauer Zeitung

frauenfeld. Reto Suhner hat die aktuelle Konzertreihe im Eisenwerk zusammengestellt. Seine aktuelle Einspielung «Run» präsentierte er mit seinem neuen Quartett, bestehend aus Philip Henzi am Klavier, Silvan Jeger am Kontrabass, dem Schlagzeuger Dominic Egli und dem Meister selber an den Saxophonen. Verglichen mit der letzten Besetzung des Quartetts stand nun eine stark verjüngte Band auf der Bühne, bei der man aber spürte, dass sie bestens harmoniert. Die Musiker spielen mit offenen Ohren, das Zusammenspiel klappt bestens, niemand drängt sich auf Kosten der anderen in den Vordergrund.

Henzi, vielen bekannt als Pianist des Swiss Jazz Orchestra, überzeugte mit flüssigen Linien, liess aber auch seinen Mitspielern viel Platz, während Silvan Jeger der Band ein stabiles Fundament verlieh.

Kein Phrasendreschen
Reto Suhner, der seinen Bandkollegen oft die Bühne für solistische Ausflüge überliess, weiss in seinen Stücken geschickt komponierte mit offeneren Teilen zu kombinieren. Auch rattert er nie einfach auswendig gelernte Phrasen und Licks herunter, er lässt sich vielmehr davon inspirieren, was um ihn herum geschieht.

Als Anker fungiert in diesem Quartett der junge Drummer Dominic Egli. Sein geschickter Umgang mit der Dynamik und allen möglichen Klangfarben des Schlagzeugs lassen die Spannung nie abreissen und geben der Band den nötigen Schub, ohne aber die Gehörgänge der Zuhörer durch grossen Schalldruck zu belasten.

Überhaupt scheinen sich die vier Musiker blind zu verstehen, das Zusammenspiel klingt jederzeit logisch, oft werden rhythmische Figuren der Mitspieler aufgenommen und weitergesponnen.

Offene Strukturen
Auch Suhners neue Stücke überzeugen, wie schon das ältere Material, durch offene Strukturen anstelle des starren «Thema-Solo-Thema»-Ablaufs. Der Übergang zwischen den Themen und den improvisierten Teilen war häufig fliessend, ebenso ging ein Stück häufig ohne Unterbruch ins nächste über. Was für die Musiker sicher reizvoll ist, bremst es doch den kreativen Fluss nicht, kann für das Publikum durchaus anstrengend sein. Dreissig Minuten konzentriertes Zuhören am Stück ist sicher nicht jedermanns Sache.

Wer aber auf moderne improvisierte Musik ohne Scheuklappen steht, der wurde an diesem Abend bestens bedient. Da war zwar kein Swing zu hören, dafür aber viele Klänge, satte, aber auch reduzierte Grooves und eine grosse Spielfreude, die den Musikern anzusehen war.

Wieder einmal war in Frauenfeld zu hören, dass moderner Jazz keine Grenzen kennt.

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